Stabil oder infantil?

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Kann man es Konrad Paul Liessmann verdenken, dass er sich irgendwie "gefrotzelt" fühlt, wenn nach drei Monaten des Sondierens, Verhandelns und Taktierens eine leicht veränderte Variante dessen herauskommt, was wir auch vor der Wahl schon hatten? Möchte man nicht Robert Menasse zustimmen, wenn er meint, dass er über die österreichische Innenpolitik nicht mehr nachdenken möchte, weil sie ihm zu "infantil" ist?

Ja und nein.

Nein, weil das politische Geschäft nun einmal so ist: Der Vorwurf des Opportunismus, der in der heftigen Kritik am Vorgehen von Kanzler Schüssel mitschwingt, steht den kritisierten Vorgängen an Infantilität um nichts nach. Der Opportunismus ist das Geschäft des Politikers. Würde er sein Handeln nicht an der Opportunität ausrichten, also an den konkreten Möglichkeiten der jeweils konkreten Situation, sondern der "Logik" folgen, die ihm die Dichter und Denker vorformulieren, wäre das politische System, in dem wir leben, viel eher bedroht, als durch das ewige Wurschteln, dessen Zeugen wir tagtäglich werden. Wer sich Nicht-Opportunisten als Politiker wünscht, muss sich an Taliban und Ayatollahs halten.

Ja, weil es eben an Frotzelei grenzt, wenn eine Chaotentruppe wie die FPÖ von einem Tag auf den anderen gewissermaßen per Kanzlerdekret für "stabil" erklärt wird, weil sie plötzlich als einzige realistische Koalitionsoption dasteht. War nicht die "Instabilität" der FPÖ der hochoffizielle Grund dafür gewesen, dass wir vor der Zeit zu den Urnen gerufen wurden? Was hat sich seitdem stabilitätsmäßig am Zustand der FPÖ geändert, außer den Bedürfnissen der Kanzlerpartei? Eben.

Bei allem Verständnis für das opportunistische Geschäft: Für dumm möchte man dennoch nicht verkauft werden.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der "Presse".

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