"Wir können ja nicht einmarschieren"

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Rudolf Scholten, Chef der Oesterreichischen Kontrollbank, zum Ilisu-Staudamm, dem größten jemals von seinem Institut besicherten Projekt.

Die Furche: Herr Scholten, ist die Drohung von 1500 Kurden, in Österreich um Asyl anzusuchen, ein Thema im Haus der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB)?

Rudolf Scholten: Wir nehmen die Sorgen dieser Menschen extrem ernst. Dieses Projekt hat mit Abstand den höchsten Recherche-Aufwand bei uns. Kein anderes Projekt wird derart überwacht und überprüft.

Die Furche: Wieviel Leid kann man ethisch vertreten, um mit Hilfe von Exportsicherungen den Wohlstand in Österreich zu stärken?

Scholten: Da gibt es für uns nur eine formelle Antwort: Wir arbeiten innerhalb klar gesteckter Grenzen. Wir besichern nichts, was mit Atomenergie oder Waffenexporten zu tun hat. Zusätzlich definieren drei gesetzliche Rahmenbedingungen unsere Arbeit: das österreichische, das internationale und das Recht des importierenden Landes. Und wenn ein Export nach allen drei Rechtssystemen machbar ist, dann stellt sich die Frage: Haben wir autonome Gesichtspunkte, die darüber hinausgehen? Ja, da Österreich internationale Vereinbarungen unterzeichnet hat (OECD; Anm.).

Die Furche: Ethik haben Sie jetzt noch nicht erwähnt …

Scholten: Wenn das alles erfüllt ist, kommt man möglicherweise zu dem Punkt, dass man sagen muss, das Projekt ist einem unangenehm. Doch da muss man am Ende des Tages zu einem relativ formellen Standpunkt kommen: Wenn ein Projekt alle diese Voraussetzungen erfüllt und auch der Risikogesichtspunkt passt, dann zu sagen, wir machen es nicht, ist schwierig.

Die Furche: Haben Sie ein gutes Gewissen bei Ilisu?

Scholten: Dass wir unsere Arbeit gut machen. Doch mein gutes Gewissen inkludiert auch Sorge. Es gibt ein paar Punkte, auf die man besonders achten muss. Wir haben ja nur eine Sanktion: die Deckung des Kredits zurückzuziehen. Wir können ja nicht einmarschieren. Es ist aber eine Reihe der Bedingungen, die sich mit der Absiedelung befassen, erst nach Fortschreiten der Projektumsetzung realisierbar und somit kontrollierbar. Doch je weiter das Projekt fortschreitet, desto geringer sind unsere Möglichkeiten, Druck auszuüben (da das zu besichernde Risiko sinkt; Anm.). Hätten die Türken von Anfang an gesagt, wir zahlen bei Lieferung bar, dann würde das Projekt nach türkischem Recht ohne Regelungen, die über UNO-Bestimmungen hinausgehen, realisiert.

Die Furche: Ein Glück, dass das Projekt mit österreichischer Hilfe zustande kommt …

Scholten: Ich missbrauche dieses Argument sicher nicht. Aber ich meine, dass das sofortige Zurückziehen der Kreditsicherung das Problem auch nicht löst.

Die Furche: Werden die 150 Bedingungen eingehalten?

Scholten: Wir haben aus anderen Projekten sehr gute Erfahrungen mit den türkischen Stellen gemacht. Was wir vorschreiben, stellt einen ziemlichen Bruch bisheriger türkischer Vorgehensweisen bei vergleichbaren Projekten dar. Das sind sicher Dinge, die die Türken auch ärgern oder als teuer betrachtet werden. Wir agieren hier sehr strapaziös. Dennoch sind keine Kompromisse möglich und wir haben keine Garantie, dass das Verfahren positiv weitergeht. Es sind aber große Anstrengung auf türkischer Seite sichtbar.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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