Gerald Stourzh - Historiker Gerald Stourzh, 90 - © Foto: APA / Politische Akademie der ÖVP

Liberaler Citoyen und Gelehrter von Weltformat

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Am 15. Mai 2019 hat Gerald Stourzh sein 90. Lebensjahr vollendet. Sein Geburtsdatum sollte ihn ein Wissenschaftlerleben lang begleiten. Seit den 1960er-Jahren beschäftigte er sich mit dem Österreichischen Staatsvertrag und seiner Genesis. 1975 legte Stourzh seine erste Monografie dazu vor, der bis 2005 vier weitere Auflagen folgten. Erst im Vorjahr brachte er gemeinsam mit Wolfgang Mueller eine weitere, diesmal englischsprachige Arbeit zum Staatsvertrag in den renommierten „Harvard Cold War Studies“ heraus.
Stourzh gehört einer Generation an, die die NS-Herrschaft, den Zweiten Weltkrieg und die unmittelbare Nachkriegszeit sehr bewusst miterlebt hat. Im Falle von Stourzh aus der Perspektive einer frühen und expliziten Gegnerschaft dem Nationalsozialismus gegenüber. Bald nach dem Krieg, für die damalige Zeit sehr früh, hatte Stourzh das Glück, akademische Erfahrungen im Ausland sammeln zu können. Seinen internationalen Ruf begründete er mit einer an der University of Chicago entstandenen Arbeit über Benjamin Franklin in den 1950er-Jahren. Ihr folgte eine während seiner Zeit an der FU Berlin abgeschlossene Studie über Alexan­der Hamilton. Dazwischen war Stourzh Gründungsgeneralsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik. Doch am bedeutendsten waren und sind seine Studien zur Geschichte Österreichs – unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der österreichischen Juden, ihres Ringens um Gleichberechtigung im 19. und ihrer sukzessiven Entrechtung im 20. Jahrhundert – und vor allem seine Arbeiten zur Geschichte der Menschenrechte. 2015 publizierte er unter dem auf den ersten Blick spröden Titel „Die moderne Isonomie“ eine Bilanz seiner diesbezüglichen Forschungen.
Stourzh arbeitet stets quellenbasiert, aber zugleich auch bezogen auf aktuelle Fragestellungen. Und er ist ein aufmerksamer Beobachter und bisweilen kritischer, aber niemals polemischer Kommentator des Zeitgeschehens, zuletzt etwa zur „Karfreitagsdebatte“. Seine Studien zeichnen sich durch besondere Sorgfalt und Präzision aus. Das verlangte er als Ordinarius auch seinen Studenten ab. Er ist ihnen nach wie vor ein Vorbild als liberaler Citoyen, Gelehrter von Weltformat und im kritischen Denken toleranter Lehrer.
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