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Portugals Mini-Regierungswechsel

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Monatelang bildete die nach den Nationalratswahlen fällige Regierungsumbildung das Tagesgespräch der politisch interessierten Kreise in Portugal. An der Gerüchtebörse herrschte Hochbetrieb: Namen wurden quotiert, Ministerien für Angola und Mozambique geschaffen, von einer grundlegenden Kabinettsumbildung und der endgültigen Ent-salazarisierung der Regierung ge-

sprochen. Die hochgespielten Erwartungen gingen nicht in Erfüllung. Der Gerüchteberg hat eine Maus geboren.

Was Ministerpräsident Caetano den Portugiesen nämlich über den Bildschirm verkündete, kann man bestenfalls als eine Mini-Regierungsumbildung bezeichnen. Sechs Ministern und ebenso vielen Unterstaatssekretären gab er den Abschied, sechs Ministerien legte er zu drei zusammen, und drei neue Minister sowie zehn Staatssekretäre setzte er neu ein. Das Heeres- und

das Verteidigungsministerium wurden verschmolzen, ebenso das Verkehrs- und das Ministerium für öffentliche Arbeiten sowie das Gewerkschafts- und Gesundheits-mdnisterium. Statt den Propheten zu gehorchen und alles grundlegend zu revidieren, zog Caetano es vor, den Apparait zu rationalisieren.

Die Neuen

Die bedeutendste Änderung ist die Ernennung des bisherigen Unterstaatssekretärs im Außenamt, Rtu Manual Patricio, zum Außenminister. Caetano entledigte sich damit einer Bürde, die er bei dem vor den Nationalratswahlen im Oktober erfolgten Ausscheiden des salazaristi-schen Außenministers Franco No-gueira übernommen hatte. Neu sind ebenfalls der Erziehungsminister, Professor Veiga Simäo, bislang Rektor der Universität von Lourengo Marques (Mozambique), und der Gewerkschafts- und Gesundheitsminister, Baltasar Rebelo de Sousa, früher Führer der staatlichen Jugendbewegung „Mocidade Portu-guesa“ und letzthin Generalgouverneur von Mozambique. Sonst bleibt alles beim alten in der neuen Regierung, denn die Mehrzahl ihrer Mitglieder sind Salazaristen. Caetano, vorsichtig, bedächtig und berechnend, hält es offenbar angesichts der zahlreichen Probleme, wie dem Krieg in den „Uberseeischen Provinzen“, der Inflationsgefahr, dem Wohnungsbau- und dem Erziehungsproblem nicht für angebracht, den Schatten eines Salazar mit mahnend erhobenem Professorenfinger aus der portugiesischen Politik ganz zu verbannen. Er steht noch am Anfang seines großen Reformprogramms, das er durch keinerlei kopflose Experimente aufs Spiel setzen will.

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