Architekt des Gedenkens

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Damit hatte niemand gerechnet. Noch vor der offiziellen Eröffnung waren Hunderttausende gekommen, um das leere Gebäude zu sehen und zu erleben. Die Rede ist vom Jüdischen Museum in Berlin, ein Bau von Daniel Libeskind. Neben eine alte Villa aus der Gründerzeit stellte er einen zerborstenen Davidstern. Es gibt keine sichtbare Verbindung zwischen den beiden Gebäuden, weil die Architektur nicht in der Lage ist, zwischen "vor Auschwitz" und "nach Auschwitz" zu vermitteln. Libeskind schuf eine Architekturplastik, ein skulpturales Gebäude, das selbst schon das erste "Exponat" des Museums ist. Die Leere ist Absicht: Im Gebäude selbst gibt es eine Reihe von Leerräumen, sogenannte "voids", die nicht betreten werden können.

Daniel Libeskind ist mit 13 Jahren nach New York gekommen. Eindrücklich beschreibt er seinen ersten Blick auf die Freiheitsstatue und die Skyline von Manhattan. Nun hat er das Siegerprojekt für den Ground Zero geschaffen. Damit ist die Entscheidung gefallen, was auf diesem Platz in Zukunft stehen soll. Nicht wenige New Yorker meinten ja, der Platz sollte völlig leer bleiben, andere wollten ihn ganz verbauen. Libeskind geht einen Mittelweg. Als Memorial wird es einen leeren Platz geben, den jedes Jahr am 11. September zwischen 8 Uhr 46 und 10 Uhr 28, also zwischen dem Einschlag des ersten Flugzeuges und dem Zusammenbruch des zweiten Turms, die Sonne ohne jeden Schatten beleuchtet. Darüber erheben sich 1.776 Fuß hoch die "Gardens of the World".

Die Leere zieht sich durch sein Werk. Das erinnert an den Tempel in Jerusalem, der sich um einen besonderen Ort der Leere erhob. Daniel Libeskind schließt seine Deutung des Berliner Museums mit einem Zitat aus dem Hebräerbrief. Der Glaube ist ein "Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht".

Der Autor ist Oberkirchenrat der evangelischen Kirche A.B.

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