Ein Seufzer des Entsetzens

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Schon die Selig-und Heiligsprechung von Edith Stein 1987 und 1998 waren dramatische Ereignisse im jüdisch-katholischen Verhältnis. Wurde die Nonne jüdischer Herkunft zur Ehre der Altäre erhöht, um die katholische Kirche als Opfer der Schoa zu deuten? Sollte sie Vorbild sein für den Übertritt zum Christentum? Ihre Lebensentscheidung und ihr Tod in Auschwitz bilden ein Spannungsverhältnis, das nicht leicht zu ertragen ist. Öl ins Feuer gießt ihre Statue, die gerade am Petersplatz aufgestellt worden ist, in Gegenwart von Rabbinern und jüdischen Gelehrten aus aller Welt, darunter ein früherer Religionsminister Israels. Die Gäste wollten in Rom zeigen, dass der Dialog mit der katholischen Kirche tragfähig ist. Der Vorhang fiel - und ein Seufzer des Entsetzens ging durch die Runde. Die Heilige, tief verschleiert im Habit, umfasst mit beiden Händen Kreuz und Tora.

Beraten vom Würzburger Bischof Hofmann meint der Künstler, die Märtyrerin stehe für beides, denn: "Gemeinsam sind Juden und Christen als Söhne Abrahams berufen, Segen für die Welt zu sein." Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Entstanden ist eine unerträgliche Symbolvermischung, wobei sich eine katholische Heilige der Tora-Rolle zu bemächtigen scheint, des zentralen Objektes im jüdischen Gottesdienst.

So wird die Glaubensentscheidung der Edith Stein zu einem bedrohlichen Akt, der Juden emotional verletzt. Die Nonne mit ihrem respektablen Werk und Zeugnis zeigt sich am Petersplatz nicht als Brücke, sondern als Hemmschuh für den Dialog.

Der Autor leitet das Europäische Rabbinerseminar in Potsdam.

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