Einsteins Einsichten

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Zwei Postkarten mit Sentenzen Albert Einsteins liegen seit einiger Zeit auf meinem Schreibtisch: "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein". Und: "Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich nur darin zurechtfinden". Einstein war bekanntlich kein Theologe und seine Religiosität war einigermaßen unkonventionell. Diese Sentenzen sind aber ausgesprochen hilfreich, gerade für religiöse Menschen.

Der erste Satz warnt vor den Gefahren einer allzu selbstverständlichen religionsgemeinschaftlichen Existenz. Er warnt auch religiöse Obrigkeiten, weiter mit der Hirtenmetapher zu spielen. Bei Michel Foucault könnten sie nachlesen, welche Art von Herrschaft sie damit ausüben und vor allem auch, dass der Staat das mittlerweile viel besser kann: Menschen zugleich bewachen und überwachen. Vor allem hat er gelernt, es so zu tun, dass man es kaum noch merkt. Der andere Satz warnt vor den Gefahren religiöser und genau genommen: aller - Rechthaberei und gibt an, was bestenfalls möglich ist: sich in der Welt zurechtzufinden. Das ist mehr, als es scheint. Denn sich in der heutigen Welt zurechtzufinden, wird immer schwerer und bedeutet auch, eine Welt zu schaffen, in der man sich zurechtfinden kann, weil sie gerecht ist und friedlich.

Einstein, wahrscheinlich der größte Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, hat bekanntlich entdeckt, dass alles im Kosmos relativ ist. Davon könnte man lernen, weder ängstlich noch überheblich zu werden, obwohl es keine sicheren Gehege mehr gibt. Man könnte auch lernen, wie wenig man wirklich von sich und der Welt versteht, und dass man trotzdem ziemlich genau spürt, worum es in ihr geht. Das ist jene Art von Balance, die auch in einer Welt voller Relativitäten immer möglich und dringend notwendig ist.

Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz

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