Was ist Glauben?
Ende September war ich zu einer Buchvorstellung in Wien. Ich stieg in Wien-Landstraße aus der Schnellbahn, ging am "Museum für Angewandte Kunst“ und am Denkmal zu Ehren von Karl Lueger vorbei durch die Wollzeile zum Stephansdom. Und von dort ins Kaffeehaus, ins "Diglas“ bis zum Beginn der Buchpräsentation in der Buchhandlung Herder.
Schon dieser Weg war des Nachdenkens wert: von einem Tempel des Kapitalismus, dessen Ausstrahlung man schon im Bau zu ahnen beginnt, über eine Heimstätte des modernen Designs, vorbei am Denkmal eines exemplarischen Populisten und Antisemiten, weiter zum zentralen kirchlichen Ort Österreichs, der offenkundig Probleme mit seiner eigenen Positionierung hat, über ein Café, von dem man widerum nicht weiß, ob es wirklich so ist, wie es sich gibt, oder sich eigentlich vor allem zitiert, bis zu einer der wenigen tapferen religiösen Buchhandlungen, die noch existieren.
Der spannendste Moment des Abends kam, als mich eine junge Frau fragte, woher ich eigentlich wisse, dass Gott die Menschen, und zwar alle Menschen liebe. Wenn sie die Bibel lese, und sie zitierte dabei Jesaia, dann wäre dieser Gott oft sehr hart in Wort und Tat zu den Menschen. Und bei Jesaia ist ja tatsächlich von einer "Brut von Verbrechern“ und von "verkommenen Söhnen“ die Rede.
Ich antwortete, dass es nur realistisch sei, uns Menschen so zu bezeichnen, wir hätten das Potenzial zu allem Bösen und manchmal nicht nur das Potenzial. Von Hitler etwa, der von Lueger und in Luegers Wien so viel lernte, heißt es im IV. Flugblatt der Weißen Rose: "Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle, und seine Macht ist im Grunde verworfen.“ Und ich antwortete: Ich weiß nicht, ob Gott uns liebt, aber ich glaube es. Was, liebe/rZeitgesprächspartner/in, ist Ihnen das Glauben und der Glaube?
* Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Uni Graz
