Martin Jäggle: Die Zehn Gebote und die vergessene Präambel
Viele Menschen haben, spontan gefragt, nicht alle zehn Gebote des Dekalogs im Kopf. Doch wer kennt überhaupt die dazugehörige Präambel? In Gotteslob und Einheitsübersetzung liest sie sich höchst verschieden. Auch im politischen Kontext werden Präambeln mit unterschiedlicher Wertigkeit behandelt.
Viele Menschen haben, spontan gefragt, nicht alle zehn Gebote des Dekalogs im Kopf. Doch wer kennt überhaupt die dazugehörige Präambel? In Gotteslob und Einheitsübersetzung liest sie sich höchst verschieden. Auch im politischen Kontext werden Präambeln mit unterschiedlicher Wertigkeit behandelt.
„Ich halte mich an die Zehn Gebote!" erklärten etliche Menschen einer Tageszeitung, konnten dann aber kaum die Hälfte der Gebote nennen, die sie zu halten vorgaben. Vieles gäbe es hier anzumerken. Doch etwas hatten alle Beteiligten ganz übersehen: Weder die Interviewten noch der Redakteur hatten eine Ahnung von einer Präambel der Zehn Gebote. Sie ist in der Kirche jahrhundertelang in Vergessenheit geraten. Aber - was ändert eine Präambel an den Zehn Geboten?
"Ich bin der Herr, dein Gott." - So lautet die Präambel des Dekalogs, der Zehn Gebote, im Gotteslob, dem katholischen Gebet- und Gesangbuch des deutschen Sprachraums.
"Ich bin Jahwe, dein Gott der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus", lautet hingegen der Beginn des Dekalogs in der Einheitsübersetzung der Bibel (Ex 20,2; Dtn 5,6).
Liebe Leserin, Lieber Leser,
diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig?
Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)
diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig?
Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)
Die Präambel im Gotteslob klingt wie die Forderung nach bedingungsloser, nicht näher begründeter Anerkennung. Aus diesem Geist der Unterwerfung heraus wären demnach alle der folgenden Zehn Gebote einzuhalten.
Das erste Wort in der Bibel jedoch ruft eine von Gott begründete Geschichte der Befreiung in Erinnerung mit weit reichenden Konsequenzen: "Ich bin der, der dir Freiheit und Würde ermöglicht hat. Daher wirst du alles tun, um diese Freiheit und Würde nicht zu verlieren. Daher wirst du alles tun, um Freiheit und Würde für die anderen zu sichern."
In der Präambel findet der Geist seine Form, aus dem heraus zu handeln vereinbart wird. Die Präambel verursacht, die folgenden Worte nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Sogar der Streit um eine Präambel lohnt!
- Die "körpersprachliche" Leichtigkeit, mit der Herr H. die vom ersten Bürger des Staates diktierte Präambel zum schwarz-blauen Regierungspakt, nicht vergleichbar mit den Zehn Geboten, unterschrieb und für das rasche Trocknen der Tinte sorgte, gibt allerdings zu denken und bietet Stoff für unterschiedliche Interpretationen.
Martin Jäggle
Der Autor ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!
Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!