Mit dem Blick gen Mekka

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Wien erhält einen islamischen Friedhof. Ein weiterer Ort, der zeigt: Die Muslime werden in dieser Stadt heimisch. von otto friedrich

Es schien ja fast eine unendliche Geschichte zu werden: 2001 präsentierten die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und die Gemeinde Wien konkrete Pläne für einen islamischen Friedhof. 2003 sollte der letzte Ruheort für Wiens Muslime eröffnet werden. Doch machten archäologische Grabungen, der Konkurs einer der am Bau beteiligten Firmen einen Strich durch diese Rechnung, Finanzierungslücken trugen ein Übriges bei. Auch diverse Anschläge und Vandalenakte machten dem Bauherrn zu schaffen: Mehrmals seien die Fenster des Gebäudekomplexes zerschlagen worden, erzählt Mouddar Khouja, rechte Hand des Präsidenten der IGGiÖ Anas Schakfeh. Im April 2006 gab es einen Brandanschlag, im Dezember des gleichen Jahres malten Un- bekannte 23 riesige Kreuze auf die Umfassungsmauer des Friedhofs – noch heute zeugen die großflächig grauen Übermalungen an der Friedhofsmauer von der Schändung der muslimischen Totenstätte in spe.

Dass am 3. Oktober, wenige Tage nach dem Ende des diesjährigen Ramadan, der Wiener islamische Friedhof eröffnet werden kann, ist nicht nur für Mouddar Khouja eine große Genugtuung. Mit 5000 Grabstellen wird das Areal die bisherige Begräbnisstätte für Muslime am Wiener Zentralfriedhof weitgehend ersetzen. Wenn die letzte Verhandlung für die Betriebsgenehmigung Mitte Oktober über die Bühne gegangen sein wird, sollen hier die ersten Toten bestattet werden.

Gebetshaus ohne Minarett

Ein zwölfeckiger, acht Meter hoher Turm aus Backstein bildet das Zentralgebäude des Friedhofs. In der hellen, innen weiß ausgemalten Verabschiedungshalle befinden sich auf jeder der zwölf Wände zwei in der Türkei gefertigte Fliesenflächen, auf denen 24 Namen für Gott kalligrafisch dargestellt sind. Vor einem Fenster ist der Weg Richtung Mekka angezeigt, an diese Stelle wird der Sarg beim Totengebet gestellt, an dem Verwandte und Freunde des Toten teilnehmen.

Kein Minarett ziert das Gebetsgebäude, der Architekt habe eine Synthese aus europäischem Baustil und islamischen Kriterien versucht, erklärt Khouja. An den Turm ist auf der Westseite ein Warteraum für die Trauergemeinde angebaut; auch dessen räumliche Gestaltung, die einer Mondsichel nachempfunden ist, hat eine symbolische Komponente. Die Räume daneben sind schon seit einiger Zeit in Betrieb, denn hier finden die rituellen Totenwaschungen statt: Zwei geschulte Totenwäscher und maximal zwei Angehörige nehmen das Ritual vor, bei dem es sich nicht um eine Hygiene-Maßnahme handelt, sondern um ein Zeichen der Reinigung. Ein männlicher Leichnam wird mit einem dreifachen Leintuch umhüllt, die auch beim Lebenden nicht entblößten Stellen zwischen Bauchnabel und Knie werden mit einem weiteren Tuch umhüllt: So soll der Tote ebenso respektvoll behandelt werden wie ein Lebender.

Frauen werden gar in ein fünfteiliges Tuch gelegt und dann nochmals vom Hals abwärts bedeckt. Österreichische Gesundheitsvorschriften verlangen dann noch zusätzlich, dass der in Leinen gehüllte Leichnam – abweichend vom islamischen Brauch – in einen Sarg gebettet wird.

Diese Zeremonie wird schon seit längerem im Friedhofsgebäude durchgeführt, bis zur Eröffnung des Friedhofs werden die Toten dann wieder auf den Zentralfriedhof überführt oder ins Herkunftsland des Toten ausgeflogen. Vor allem letzteres ist teuer, Mouddar Khouja hofft, dass der neue Wiener Friedhof eine Alternative für fromme Muslime darstellt.

Alternative zum „Heimflug“

Der Sarg wird dann in die Verabschiedungshalle gebracht und gen Mekka aufgestellt. Die Trauergemeinde rezitiert stehend Koranverse und spricht Fürbittgebete für den Toten und dessen Angehörige. Danach wird der Tote in einem leisen Trauerzug – auch hier: aus Respekt vor ihm – zum Grab getragen, abwechselnd von vielen aus der Trauergemeinde, denn es ist ein Ehrendienst, den Toten auf dem letzten Weg zu begleiten. Beim Grab wird der Sarg so in die Erde gesenkt, dass der Tote, der im Sarg auf die rechte Seite gedreht liegt, gen Mekka schaut.

3400 Quadratmeter groß ist das Areal in Wien-Inzersdorf, im Westen begrenzt der Liesingbach den Friedhof. 20 Jahre wird die Nutzungszeit für ein Grab sein, die technischen, nichtreligiösen Abwicklungen liegen – wie bei den anderen Friedhöfen der Stadt – in den Händen der gemeindeeigenen Bestattung Wien.

Und die Kosten? Den Löwenanteil hat das Golf-Emirat Katar bezahlt, der OPEC-Fund hat ebenfalls eine namhafte Summe beigesteuert, einen Anteil hat nach Angaben von Mouddar Khouja auch Saudiarabien übernommen.

In Sachen islamischer Friedhof ist Wien aber nur der Anfang: Im Vorarlberger Altach ist – nach einem langwierigen, aber vorbildlichen Mediationsverfahren – ein islamischer Friedhof für das ganze Bundesland in Errichtung (die Furche berichtete). Im nächsten Jahr soll auch er in Betrieb gehen. Derweil zeigt sich in Oberösterreich, wie weit der Weg zum friedlichen Miteinander im Land noch ist: Am vergangenen Wochenende wurden im islamischen Teil des Friedhofs von Traun 90 muslimische Gräber geschändet. Die Behörden gehen von Tätern aus dem rechtsextremen Milieu aus.

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