Von vielen Händen weich getragen

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Es sind Gesten größter Ehrfurcht: „Sanft wie bei einem Baby wird der Körper einshampooniert und mit lauwarmem Wasser gewaschen“, beschreibt Totenwäscherin Ümmü Ekinci die traditionelle Waschung der muslimischen Verstorbenen. Zwei geschulte Totenwächter und bis zu zwei gleichgeschlechtliche Angehörige des Verstorbenen führen dieses Ritual als Zeichen der Reinigung durch. Die Toten sollen dabei stets so respektvoll behandelt werden wie die Lebenden. Nach dem Waschen wird der Leichnam einparfümiert und in Leinen gewickelt: Männer werden mit einem dreifachen Tuch umhüllt, Frauen in ein fünffaches, da auch ihr Kopf und der Brustkorb noch bedeckt werden.

Im Gegensatz zu islamischem Brauch, aber sich an den österreichischen Gesundheitsvorschriften orientierend, wird der in Tücher gewickelte Leichnam dann in einen Sarg gelegt. Das Gesicht liegt auf der rechten Seite, damit der Blick Richtung Mekka möglich ist. Der Tod wird im Islam nicht als Ende, sondern als Beginn eines unendlich langen Lebens gesehen: „Für uns ist das Sterben eine andere Geburt, bei der die unsterbliche Seele aus dem sterblichen Körper befreit wird und eine andere Dimensionalität erleben darf als hier auf Erden“, sagt Mouddar Khouja, persönlicher Referent von Anas Shakfeh, dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). „Im Jenseits kann die Seele dann überall wandern.“ Gläubige Muslime hoffen nach dem Tod auf die Barmherzigkeit ihres Schöpfers: „Gott geht mit uns Menschen gnädiger und barmherziger um als wir Menschen miteinander“, sagt Khouja.

Sorge um die Angehörigen

In der Verabschiedungshalle, wo der Sarg des Verstorbenen gen Mekka aufgestellt wird, können die Verwandten und Freude Abschied nehmen. Stehend rezitiert die Trauergemeinde Koranverse und spricht Bittgebete für den Toten und seine Angehörigen. Schweigend wir der Sarg anschließend abwechselnd von verschiedenen Leuten aus dem Trauerzug auf Schultern und Händen zur Grabstätte getragen. „Es gibt im Islam keinen Todeskult mit Gesängen, sondern der Weg erfolgt in totaler Stille. Aufgrund unterschiedlicher Traditionen gibt es verschiedenste Ausprägungen davon“, erklärt Khouja. Die Trauergemeinde schließt das Grab, indem die Grube mit Erde befüllt und Sure 20,55 aus dem Koran gesprochen wird: „Aus ihr haben wir euch erschaffen, und in sie lassen wir euch zurückkehren, und aus ihr bringen wir euch ein anderes Mal hervor.“ Mouddar Khouja betont die Sorge um die Angehörigen: „Im Koran ist der Tod für diese eine Katastrophe. Es ist Aufgabe der Gemeinde, sie zu besuchen und zu bekochen“, sagt Khouja. Als ehrenamtliche Seelsorgerin im AKH und Kaiser Franz Josef-Spital ist auch Ümmü Ekinci mit dem Leid der Hinterbliebenen konfrontiert. „Manche wollen alleine sein. Manches Mal entsteht jedoch enger Kontakt oder sogar Freundschaft“, sagt die Seelsorgerin.

Seit rund einem Jahr hat die islamische Gemeinde in Wien einen eigenen Friedhof. Auf dem Areal in Wien-Inzersdorf finden derzeit rund fünf Begräbnisse im Monat statt. „Wir wollen damit allen Muslimen, insbesondere denjenigen, die ihre Integration über den Tod hinaus sehen und zur Bestattung nicht ins Heimatland überführt werden möchten, eine Ruhestätte geben“, erklärt Khouja. „Der Friedhof ist zur Besichtung auch für Nicht-Muslime offen“, fügt er hinzu.

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