Jetzt wissen wir es genau: Die Einladung zweier Vertreter des Kirchenvolks-Begehrens zum Delegiertentag als Zwischenstation des "Dialogs für Österreich" wird von der Blockadegruppe in der katholischen Bischofskonferenz mit eiserner Konsequenz verhindert. Dagegen nützen auch Kniefälle der Bischöfe Weber und Schönborn nichts.
Die Blockierer sollen zumindest wissen, was sie tun: Sie verhindern eine endgültige Bereinigung des in der römischen Kirche seit über einem Jahrhundert schwelenden Modernitätskonfliktes. 1864 hat Papst Pius IX. im "Syllabus" die 80 vermeintlichen "Hauptirrtümer" seiner Zeit zusammengefaßt. Peinlich genug, was damals allen Katholiken feierlich verboten wurde: die freie Religionswahl, das Nein zu weltlichen Herrschaftsbefugnissen von Papst und Bischöfen, staatliche Schuldirektoren, staatliche Ehegerichte, Gehorsamsverweigerung gegenüber weltlichen Herrschern und manches mehr.
Der zweitnächste Papstnachfolger, Pius X., theologisch ziemlich unterentwickelt, setzte noch einmal kräftig nach und verurteilte in der Enzyklika "Pascendi" 1907 so gut wie alles, was damals nach "modern" roch. Auch gläubige Kirchenhistoriker wurden des verwerflichen "Modernismus" angeklagt. Seit 1910 mußten in Seelsorge oder Unterricht tätige Kleriker den berüchtigten "Antimodernisten-Eid" schwören, wonach sie sich dem "irrtumslosen Lehramt der Kirche" bedingungslos zu unterwerfen und alle rationalistischen Glaubenserklärungen, kritische Bibel- und Geschichtswissenschaft, demokratische Ideen und jeglichen Reformkatholizismus zu verurteilen hatten.
"Das Problem ist bis heute im römischen Katholizismus nicht wirklich ausgetragen worden", zitierte jüngst Floridus Röhrig in einem Vortrag Gottfried Maron. Und der Historiker Oskar Köhler weist in seinem Buch "Bewußtseinsstörungen im Katholizismus" nach, daß alles, was damals als "modernistisch" unter den Teppich gekehrt wurde, der Kirche heute auf den Kopf fällt. Und diesen Kopf - nicht den ihren - halten die Blockierer tapfer-verbissen beim Fenster hinaus.
