Pilgern auf evangelisch

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Fast scheint es, als ob die Evangelischen nur länger gebraucht hätten, um schließlich auch darauf zu kommen: Pilgern ist wieder modern. Nun aber wird quer durch Österreich ein "Weg des Buches" geplant. Von Schärding an der bayrischen Grenze bis nach Agoritschach in Kärnten kann dieser Weg begangen oder per Rad befahren werden. Offizielle Eröffnung: 4. Oktober 2008 in Ramsau/Schladming.

Wie aber pilgern, wenn es doch in der evangelischen Glaubenspraxis keine Wallfahrtsorte gibt? Gewiss, der Weg führt entlang von so genannten Toleranzgemeinden, also evangelischen Pfarrgemeinden, die kurz nach dem Toleranzpatent Josefs II. entstanden sind. Alte Stätten der Erinnerung an die Zeit des oberösterreichischen Bauernkriegs bzw. an jene 150 Jahre, in denen der evangelische Glaube im Verborgenen weiterlebte und von einer Generation zur nächsten tradiert wurde, werden aus der Vergessenheit geholt.

Aber das alles sind gerade keine Kultstätten, keine Wallfahrtsorte, wo etwa besondere Zeichen und Wunder geschehen würden. Beim "Weg des Buches" geht es vielmehr darum, jene geheimen Steige nachzuwandern, die einst die Bibelschmuggler - evangelisch gesinnte Frauen und Männer - gegangen sind. In deren Körben lagen zuunterst Bibeln, Postillen und Gesangsbücher, die sie meist in Nürnberg erstanden hatten und mit denen sie die geheimprotestantischen Bauernfamilien versorgten. Erwischt durfte man dabei freilich nicht werden. Es hätte das Gefängnis bedeutet und den Verlust der kostbaren Bücher.

Das aber ist nun tatsächlich ein Kernstück evangelischer Frömmigkeit: die Wertschätzung von Bildung und Büchern, wobei die Bibel im Mittelpunkt steht. Damit wird der "Weg des Buches" zu einem Pilgerweg des 21. Jahrhunderts, der allen offensteht, nicht bloß geheimen Protestanten.

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