Rabbiner und Tröster

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Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der 27. Januar war auch der Tag, an dem 1943 Rabbiner Leo Baeck aus Berlin nach Theresienstadt deportiert wurde. Der Präsident der Reichsvertretung der Juden in Deutschland wurde mit beinahe 70 Jahren Adolf Hitlers besonderer Gefangener. Baeck lehrte einen Widerstand sittlich-geistiger Art, wo Menschen zur Nummer wurden, gegeneinander gehetzt und zu Tode gequält. Sieben-bis achthundert Menschen drängten sich in einen kleinen Raum, um seinen Vorträgen über Platon und Kant zuzuhören. Aber es gab auch viele private Begegnungen, in denen er sich seinen Mithäftlingen widmete, ihnen als Rabbiner und Tröster diente, gütig, wahrhaftig und wohlwollend.

Den Schrecken der Schoa hat Leo Baeck überlebt. Es war kein Grund für ihn, an Gott zu verzweifeln oder zu sagen: "Gott ist tot." Aber den Kirchen ersparte er den Vorwurf nicht, dass sie ihre Gläubigen nicht zum Widerstand gegen die Diktatur und das Morden erzogen hatten. Menschen hätten hier die Rechte anderer Menschen verteidigen müssen. Wer alles von Gottes Gnade erwarte, habe nicht genug Kraft, aktiv Gottes Gebote in der Welt durchzusetzen und so Teil von Gottes Schöpfungsarbeit zu werden. Die Nähe von Kirche und Staat ist ihm ein besonderer Dorn im Auge. Sie habe die Kirchen blind gemacht und unfrei, ihre Botschaft konsequent zu vertreten. 1956, vor genau 50 Jahren ist dieser Rabbiner gestorben. Er bleibt für Juden eine Quelle der Inspiration.

Was Leo Baeck damals vermisst hat, vermissen viele noch heute. Gott hat uns Menschen eine Aufgabe gegeben, seine Welt heil zu machen. Wir - Christen, Juden und Muslime - haben die Kraft dazu, dem Guten zum Durchbruch zu verhelfen. Gemeinsam müssen wir es angehen.

Der Autor leitet das Europäische Rabbinerseminar/Potsdam.

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