Verhinderte Begegnung der Geschlechter

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In vielen islamischen Ländern sind patriarchalische Strukturen stark verbreitet. Während des Arabischen Frühlings 2011 kam es auf dem Tahrir-Platz in Kairo mehrfach zu sexuellen Übergriffen auf Demonstrantinnen. In vielen islamischen Ländern, vor allem in denjenigen, in denen eine restriktive Sexualmoral stark vorherrschend ist, stehen solche Übergriffe auf der Tagesordnung. In solchen Ländern und Gemeinschaften beobachtet man eine starke Sexualisierung der Geschlechterverhältnisse und dies oft im Namen des Islams. Man trennt die Mädchen und die Burschen in den Schulklassen oder Lerngruppen, verbietet in manchen Milieus sogar das Handgeben zum Grüßen und verschließt jegliche Räume, in denen beide Geschlechter lernen können, unverkrampft, aber anständig miteinander umzugehen, und dies alles aus Angst vor sexueller Annäherung.

Geschlechterbeziehung übersexualisiert

Das Tragen des Kopftuchs wird in manchen solcher patriarchalischen Strukturen damit begründet, die Reize der Frau vor den lüsternen Blicken des Mannes zu schützen, Frauen als Imaminnen sind verpönt mit der Begründung, eine betende Frau vor einem Mann sei sexuell zu reizvoll, Frauen werden in Moscheen räumlich isoliert, damit sich die Männer auf das Gebet bzw. die Predigt konzentrieren können usw. Diese Übersexualisierung der Geschlechterbeziehungen und die wenn auch unabsichtliche Reduzierung einerseits der Frau auf ein sexuelles Objekt, vor dem die Männer geschützt werden müssen, und andererseits des Mannes auf ein sexuelles Tier, vor dem die Frauen geschützt werden müssen, trägt stark zur Reproduzierung patriarchalischer Strukturen bei. Dies alles verhindert eine Begegnung der Geschlechter als Menschen in gegenseitigem Respekt, ohne dass eine gewisse Sexualisierung dieser Begegnung in der Luft mitschwingt. Letztendlich geht es dem Islam um den Menschen als solchen, unabhängig von seinem Geschlecht.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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