"Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" fragte Paul Watzlawick vor mehr als dreißig Jahren. Der große Psychotherapeut war zum Schluss gekommen, dass die Wirklichkeit im Grunde aus individuellen Konstruktionen bestehe, die man bei etwaigen psychischen Leiden nur etwas modifizieren müsse. Die große Frage nach der Wahrheit stellte sich bei ihm nicht.
Den Psychiater, Psychotherapeuten und konservativ-katholischen Theologen Manfred Lütz treibt sie hingegen nachhaltig um. Nach Bestsellern wie "Gott - Eine kleine Geschichte des Größten" oder "Irre! - Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen" hat der wortmächtige Zuspitzer in seinem jüngsten Buch folgende These aufgestellt: Was, wenn wir alle im falschen Film lebten wie der Protagonist im Streifen "Die Truman-Show"? Was, wenn wir in künstlichen Welten aus Wissenschaftsgläubigkeit, Psychoreligion oder Soap Operas gefangen wären? Wir würden unser eigentliches Leben verpassen, warnt Lütz in "Bluff! Die Fälschung der Welt". Menschen wie Richard Dawkins oder Eugen Drewermann gehören seiner Ansicht nach ebenso zu den großen Welt-Fälschern und Kulissen-Hochziehern wie Fernsehen, Hirnforschung oder die "esoterische Plastikreligion". Sie alle seien hilfsbereite Helfer bei der Flucht vor dem Tod, aber zugleich auch Hindernisse auf dem Weg zu sich selbst.
Aus den vorhandenen, künstlichen Welten völlig auszusteigen, sei schwer möglich, so Lütz. Aber jeder Einzelne könne versuchen, zeitweilig auszubrechen: durch den Mut zum Perspektivenwechsel, durch Kunst, Philosophie und natürlich Religion.
Das alles ist nicht völlig neu, manchmal etwas konstruiert - und bisweilen auch ärgerlich, etwa bei Lütz' kritikloser Reinwaschung der Institution Kirche und deren Geschichte. Aber eine gut geschriebene Anregung, einmal hinter die Kulissen des eigenen Lebens zu blicken, ist es allemal. (dh)
Bluff!
Die Fälschung der Welt. Von Manfred Lütz, Verlag Droemer/Knaur 2012 188 Seiten, gebunden, € 17,50
