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Eine Branche bangt um ihren Grossisten

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Auf Österreichs Verlage kommt ein schwerer Aderlaß zu, die Buchhändler können noch um einen Teil ihres Weihnachtsgeschäftes umfallen. Ursache ist die Zahlungsunfähigkeit der Buchauslieferung R. Lechner & Sohn. In weiterer Folge kann auf die heimische Buchbranche Unerfreuliches zukommen.

Zweieinhalb Monate ist es her. Stolz führte Lechner ein neues, computerisiertes System zur schnelleren, weiteres Personal einsparenden Bearbeitung der Bestellungen vor. 70 Millionen hat es gekostet. Wie es so bald darauf zur Insolvenz kommen konnte, versteht niemand.

Man spricht von 500 Millionen Schilling Passiva bei einer Überschuldung von 110 Millionen (ohne die Leasingraten für die neue Anlage). Rund 200 Millionen sind Bankverbindlichkeiten, vor allem bei der Bank Austria, die bis 1995 mit 49 Prozent an Lechner beteiligt war und es mit rund 25 Prozent noch ist. Sie ermöglichte auch die Großinvestition, welche die Produktivität heben und Lechners Probleme lösen sollte. Die Bank habe damals diese Probleme unterschätzt, konnte man jetzt hören. Eine Erklärung, die viele Fragen offen läßt.

Die Forderungen der 250 Verlage, deren Bücher Lechner an die 300 Buchhändler ausliefert, sollen 226 Millionen betragen. Die Rede ist von 60 Prozent Ausgleichsquote, die aber nur dann gehalten werden könne, wenn die Verlage den Prozentsatz des Verkaufspreises, der dem Auslieferer verbleibt, erhöhen.

Man werde alles tun, um den Betrieb aufrechtzuhalten, hieß es bei Redaktionsschluß im Hause Lechner. Ob und wie es weitergeht, werde sich Mitte dieser Woche herausstellen. Viel davon wird vom Verhalten der

Bank Austria abhängen. Über deren Forderungen wiederum schwebt als Damoklesschwert die Frage, ob ihre Kredite echte Kredite seien, ob sie sich nicht mit diesem Geld an Lechner beteiligt habe, was dessen Lage schöner erscheinen ließe.

So oder so: Ein Lechner-Konkurs wäre teils schlecht, teils ein großes Unglück für viele österreichische Verlage. Von Residenz bis Styria, von St. Gabriel bis Otto Müller. Der Salzburger Otto-Müller-Verlag zum Beispiel hätte rund eine Million von Lechner zu erwarten, von denen er, wenn der Ausgleich „durchgeht”, höchstens 60 Prozent sieht. Sein Verlust ist ein kleiner Fisch in dieser Insolvenz. Aber eine dicke Krot, wenn sie ein Verlag mit zehn Millionen Jahresumsatz schlucken muß.

Und was ist mit den noch kleineren Verlagen, die oft an der Grenze ihrer Möglichkeiten kalkulieren? Werden sie den Verlust verkraften? Wieviele von ihnen würde Lechner im Fall des Konkurses mitreißen? Jeder einzelne würde eine weitere Verarmung unseres literarischen Lebens bedeuten.

Wie die deutschen Großverlage die Sache strategisch sehen, ist auch offen. Fällt Lechner aus, könnte die Versorgung des österreichischen Buchhandels direkt erfolgen oder an die deutschen Barsortimenter übergehen. Für die selbst die größten Buchhandlungen Österreichs Zwerge sind, was eine Verschlechterung der Konditionen bedeutet.

Man hofft auf einen erfolgreichen Ausgleich. Oder auf eine andere österreichische Lösung. Geht es ganz schnell ganz schief, fallen die Verlage womöglich um einen Teil der vorweihnachtlichen Nachbestellungen um, die als Rosinen des Weihnachtsgeschäftes gelten. Einzelbestellungen direkt bei Verlagen bedeuten für die Buchhandlungen nämlich eine oft unzumutbare Mehrarbeit.

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