Der heitere Jüngste Tag

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Das Stück, das Jan Bosse aus zwei Hörspielen des 1981 in Hamburg geborenen Autors Wolfram Lotz zu einem Theaterabend amalgamiert, ist eine Art Abgesang auf die Menschheit oder eine Fabel zum Verhältnis von Tier und Mensch. Da es aus den zwei Hörstücken "In Ewigkeit Ameisen"(2007) und "Das Ende von Iflingen"(2019) zusammengefügt ist, gibt es folgerichtig zwei alternierende Schauplätze. Erst in der bizarren Schlussszene werden die beiden Handlungsstränge zusammengeführt, wenn das Personal des Stückes sich in einem Tanz in riesige blaue Ameisen verwandeln wird. Denn die Ameise - so sagt der Ameisenforscher im Stück einmal -sei die Fortführung des Menschen, sie baut komplex, ist effektiv und schafft Ordnung. Der Affe dagegen sei zwar äußerlich dem Menschen ähnlich, sitzt aber nur im Wald, kratzt den Artgenossen und frisst dessen Läuse, was ihm dann auch noch als Kultur angerechnet würde. "Unsinn Müller! Die Ameise ist der Übermensch!"

Racheengel und Ameisenforscher

Bis es aber soweit ist, schweben der Erzengel Michael mit schwarzen Flügeln und mächtigem Schwert sowie der leutselige Engel Ludwig mit Posaune und weißen Flügeln vom Bühnenhimmel herab. Gleichsam schwebend, inmitten der leeren und hermetisch abgeschlossenen Bühne von Stéphane Laimé, die durch ihre blaugraue Schaumstoffverkleidung unübersehbar an ein Tonstudio erinnert, geben Christiane von Poelnitz und Katharina Lorenz die komische Nummer zweier eher linkischer Racheengel. Sie sind geschickt worden mit einem Auftrag zum Tag des Jüngsten Gerichts. Hier in Iflingen sollen sie die "Menschen zu Asche schlagen". Da wundert sich Michael schon mal, dass Ludwig mit der Posaune aufkreuzt, wo doch ein Schwert durchaus angebracht gewesen wäre.

Zur gleichen Zeit, am anderen Schauplatz, irgendwo im Urwald Afrikas, erfahren der Ameisenforscher Professor Schneling-Göbelitz und sein Assistent Müller im nächtlichen Zeltlager über ein Transistorradio vom Ausbruch des Atomkrieges. Bosse inszeniert die Szene als groteskes Schattenspiel, wie er sich überhaupt bemüht, dem oft verspielten Hörtext mit findigen und schmucken Bildern und erprobten Bühneneffekten (Feuer und Rauch) beiseitezuspringen. Oft gelingt ihm das auch ganz gut: Die Wände bergen überraschende Öffnungen, aus dem Bühnenboden fahren plötzlich ein Tierkäfig oder eine Telefonzelle hoch. Weniger gut, und eigentlich nur der formalen Verzahnung der beiden Texte geschuldet, erscheint Bosses Einfall, die Rollen in jeder Szene durchzuwechseln.

Arten des Überlebens

Dann ist im Urwald auf einmal Eile geboten, da die Existenz der Menschheit mit größter Wahrscheinlichkeit nicht länger als einen Tag überdauern wird. Schließlich läßt sich der weltberühmte, offenbar gehbehinderte Forscher (hier noch Peter Knaack) nicht einfach so auf einem Rollstuhl durch das unwegsame Gelände karren. Er ist gekommen, um der zu entdeckenden blauen Ameisenart seinen Namen zu geben. Denn die Namensgebung sichert eine Art des Überlebens, kein Wunder also, dass angesichts des nahen Endes nun auch Müller (hier noch Klaus Brömmelmeier) sich verewigt wissen will. Weil auch er den unbescheidenen -aber in Anbetracht des Endes der ganzen Menschheit lächerlichen - Wunsch hat, ewig zu sein, führt das zu einem witzigen Wortgefecht darüber, ob die Ameisenart nun Müller-Schneling-Göbelitz oder nur Müller-Göbelitz-Ameise heißen soll. Das würde ihm, Müller, so passen! Ein ganzer Müller, aber nur ein halber Schneling-Göbelitz. Derweil braut sich in Iflingen ganz anderes Ungemach zusammen. Die Einwohner, die die beiden Engel zu richten geschickt worden sind, sind dummerweise gerade nicht aufzufinden. Stattdessen begegnen sie einem Igel, einem Mauersegler und später einem Schwein, die allesamt Aenne Schwarz zu hinreißenden Szenen Gelegenheit geben.

Die Verschmelzung der beiden Hörstücke ist so wenig zwingend wie ihre Einrichtung für die Bühne, auch ein tieferer Sinn wird kaum augenscheinlich. Aber immerhin hat der Abend einen gewissen Witz und bietet die Erkenntnis, dass der Jüngste Tag auch heiter sein kann. Dafür sind wir dankbar. In Ewigkeit, Amen.

In Ewigkeit Ameisen Akademietheater, 30. März, 16., 23., 27. April

Die Verschmelzung der beiden Hörstücke ist so wenig zwingend wie ihre Einrichtung für die Bühne, auch ein tieferer Sinn wird kaum augenscheinlich.

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