Enttäuschte Hoffnungen

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Auch wenn spitzfindige Strategen des Anti-Aging-Geschäfts schon in den Startlöchern scharren, wurden sie von der Naturwissenschaft bislang enttäuscht. Auch nach dem 100. Geburtstag von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, an den letztes Jahr feierlich erinnert wurde, zeigen sich noch keine Anwendungsbereiche am Horizont der Verjüngungsmacher. In Einsteins Theorie ist der Zeitfluss nicht einfach konstant, sondern wird durch Masse beeinflusst: In der Nähe massiver Objekte verlangsamt sich die Zeit. Diese gravitative Zeitdehnung zeigt sich nicht nur in den Weiten des Kosmos, sondern auch auf der Erde: Wie Forscher der Uni Wien letztes Jahr herausfanden, ist der Effekt bei kleinen Teilchen nachvollziehbar, die nahe dem Erdboden langsamer "zittern" als in größeren Höhen. Auch Menschen, die im Erdgeschoß leben oder arbeiten, altern langsamer als ihre Nachbarn oder Kollegen in den oberen Stöcken. Doch der Anti-Aging-Effekt des Parterre schlägt sich nicht in der menschlichen Faltendichte nieder. Er ist zu klein, um für kommerzielle Ansätze überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Die Messung mit präzisen Atomuhren zeigt den damit zu erreichenden Altersunterschied: Circa zehn Nanosekunden pro Jahr lassen sich gewinnen. Diesen Wert kann man selbst in der eifrigsten Anti-Aging-Szene nur schwer bewerben. Auch die Spezielle Relativitätstheorie des exzentrischen Physikers bietet keine Hoffnung für Start-up-Unternehmen im Bereich der Lifestyle-Medizin. Auch wenn durch schnelle Bewegung ebenso eine Verlangsamung der Zeit zu erreichen ist, stößt die praktische Umsetzung noch auf große Hindernisse. Denn Raumschiffe, die jahrelang fast mit Lichtgeschwindigkeit durchs All sausen, sind weit von der Marktreife entfernt. Sie wären zwar hocheffektiv, versprechen aber nicht unbedingt eine günstige Anti-Aging-Intervention. Also heißt es wohl weiterhin: Mit der Zeit altern und warten auf den großen Durchbruch in der Zeit.

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