Nicht nur Schotten gefällt der Rock

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Wie sag ich es meinen Nachbarn? Ich bin nicht "anders herum" und möchte auch nicht provozieren. Nein, es ist nur einfach so: Bei warmen Wetter sind Röcke einfach angenehmer zu tragen als Hosen.

Liebe Nachbarn, es könnte sein, dass Sie mich hin und wieder mit einem Rock bekleidet antreffen, und damit es für Sie kein merkwürdiges Rätsel bleibt, warum der Herr Schmiedel denn da im Rock rum läuft, möchte ich es Ihnen erklären:

Zunächst, keine Angst, ich bin nicht irgendwie "anders herum"! Nein, es ist nur einfach so, dass ich herausgefunden habe, dass Röcke, gerade bei warmen Temperaturen, sehr viel angenehmer und luftiger zu tragen sind als Hosen. Noch in der Antike und im Mittelalter gehörten Röcke oder ähnliche Kleidungsstücke in Europa allgemein zur männlichen Garderobe. Hosen gab es zwar auch schon seit keltischer Frühzeit, doch wurden sie hauptsächlich zum Reiten und für Arbeiten, bei denen man viel Bewegungsfreiheit brauchte, benutzt. Als die Hose ab dem 15. Jahrhundert verstärkt eingeführt wurde, wurde das von Konservativen vielfach als Skandal empfunden und geschmäht.

Hose vom Leib gerissen

Als im 19. und 20. Jahrhundert dann auch noch Frauen anfingen, Hosen zu tragen, waren sie vielfachen Anfeindungen ausgesetzt. Eine Frau, die 1911 in Wien in einem Hosenrock statt einem Kleid auf die Straße ging, wurde von einer wütenden Menschenmenge verfolgt, die ihr besagten Hosenrock vom Leibe riss. Ein Offizier rettete ihr das Leben. Wenn Frauen heute selbstverständlich Hosen tragen, sollten sie dieser Frauen gedenken, die sich und ihren Nachfahrinnen dieses Recht und die Akzeptanz der Öffentlichkeit tapfer erkämpft haben.

Heute tragen Frauen Röcke und Hosen, Männer hingegen sind (von wem eigentlich?) dazu gezwungen, immer Hosen zu tragen. Das empfinde ich als eine ungerechte und unsinnige Konvention.

Manche Männer sehen in der Hose wohl auch ein Statussymbol, denn trotz offizieller Gleichberechtigung sind Männer immer noch vielfach das dominierende Geschlecht, und der Gedanke, einen Rock zu tragen, lässt gewissermaßen Kastrationsängste aufkommen. Und doch gibt es in manchen Gegenden Europas und vielen Völkern Asiens und Afrikas durchaus gestandene Männer ohne Hosen, dafür in Kilts, Kaftans, Galabeas, Sarongs, Lunghis, Lavalavas und anderen Röcken und Kleidern. Hosen haben in diesen Kulturen wegen der Vormachtstellung westlicher Zivilisation allerdings oft einen höheren gesellschaftlichen Status.

Eigentlich ist es nervend, immer wieder diesen Punkt zu erwähnen und gar zu betonen, aber da vielen Mitmenschen diese Assoziationen kommen und so sehr schnell Vorurteile und Missverständnisse aufkommen, möchte ist doch nachdrücklich betonen: Ich bin weder ein Transvestit noch homosexuell. Sicher tragen Transvestiten und einige Homosexuelle auch Röcke, und sie sollen es auch ruhig tun, aber das ist nicht untrennbar miteinander verbunden. Hosentragende Frauen sind schließlich auch nicht unbedingt Transvestitinnen oder Lesbierinnen. Wenn ich nun Röcke trage, die als Frauenröcke hergestellt und verkauft wurden, liegt das nur daran, dass explizite Männerröcke in unseren Geschäften (fast) nirgends zu kaufen sind und wenn doch, dann sind sie rund dreimal so teuer. Ich suche mir jedoch solche aus, die nach meinem Dafürhalten und dem meiner Frau nicht zu feminin aussehen, sondern eher unter die Rubrik "Unisex" eingereiht werden könnten.

Aus diesen Gründen nehme ich mir das Recht heraus, bei geeignetem Wetter im Rock auszugehen und das angenehme Empfinden um die Beine herum zu genießen. Mein Wunsch ist es, dass Röcke für Jungen und Männer eines Tages genau so selbstverständlich sind, wie Hosen es für Mädchen und Frauen heute schon sind. Jeder und jeder soll tragen, was ihr oder ihm gefällt. Ich weiß, dass ich mit dieser Idee nicht alleine bin, sondern in mehreren Ländern auch andere Männer den Hosenzwang satt haben. Röcke und Hosen sind an sich gleichermaßen geschlechtsneutral, und gewinnen ihre Bedeutungen erst durch unser Denken, und denken kann man bekanntlich so oder so.

Mit gutem Beispiel voran

So wage ich mich denn ab und zu im Rock an die Öffentlichkeit, nachdem ich zu Hause schon lange gerne Röcke trage, hoffe auf möglichst wenig Missverständnisse und auf möglichst viel Toleranz oder gar Solidarität und hoffe, anderen Männern als gutes Beispiel voranzugehen und sie zur Mithilfe bei der Wiedereinführung der Sitte, dass Männer auch Röcke tragen, zu ermutigen. Es ist übrigens nicht nur ein Beitrag für die Gleichberechtigung des Mannes, sondern auch der Frau.

Für Fragen und Kritik (am liebsten positive, aber auch für konstruktive Einwände) habe ich jederzeit zwei offene Ohren.

Auf weiterhin gute Nachbarschaft!

Ihr Michael A. Schmiedel

Ein Diskussionsforum zum Thema Männerrock finden Sie im Internet unter www.maennerrock.de

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