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Hat Originalität Chancen?

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Wenn in den nachfolgenden Ausführungen von Mode gesprochen wird, so ist damit nicht die exklusive Hochmode der Haute-Couture gemeint, sondern die Mode, die sich allgemein durchgesetzt hat und zur wirklichen „Mode“ wurde. Nur an solchen Moden ist die Textilindustrie wirtschaftlich interessiert.

„Hat Originalität Chancen?“ Ich glaube, daß man diese Frage vom modischen und vom wirtschaftlichen Standpunkt nur mit einem energischen „Ja“ beantworten muß.

Eine neue Mode muß — um sich allgemein durchsetzen und die Welt erobern zu können — zwei Hauptpunkte erfüllen. Sie muß tragbar sein und variabel für die Frauen von verschiedenstem Typ, und sie muß etwas Neues bieten. Sie muß sich von der vergangenen Mode augenfällig unterscheiden, um neu zu sein.

Eine solche Mode, die diese beiden Voraussetzungen restlos erfüllte, war der „New Look“. New Look war tragbar, und die nur um wenige Zentimeter längere Rockmode machte die kompletten Kleiderkästen der Frauen unmodern. Nach kurzer Zeit wirkten Frauen mit den alten, kurzen Kleidern undezent angezogen.

Ein zweites Beispiel ist der Welterfolg des „Swissair-Blau“ für Taschen und Schuhe gJ-

,wes,ęn. ĮĮąs „Blau“ w npliel .prjd schön, und die Mode kam so plötzlich, daß jede Frau, die eine solche Tasche trug, zeigte: „Ich gehe mit der Mode, seht her, eine neue Tasche und neue Schuhe.“ Das wäre einer Frau mit der schönsten Schweinsledergarnitur nicht geglückt.

Die Textilstoffmode hat es im Vergleich zur Kleid- und Accessoiresmode in den letzten Jahren viel leichter, sich durchzusetzen und neu und kühn zu sein. Wenn man die Frau im heutigen Straßenbild betrachtet, so staunt man oft über den Mut unseres weiblichen Geschlechtes (vom jungen Mädchen bis zur ältesten Dame), auffallende Stoffe zu tragen. Alle diese Trägerinnen würden eine so radikal auffallende Kleidmode, wie sie heute im Textildessin getragen wird, prompt ablehnen. Im Stoffdessin ist unseren Frauen heute nichts auffallend genug. Man sieht die gewagtesten Farbzusammenstellungen, die größten Muster, und ganze Gemälde, Landschaften, Städtebilder lenken die Aufmerksamkeit auf oft nicht zu schlanke Hüften. Die Textilindustrie kann vor allem im Druckstoff großzügig sein. Anderseits bringt diese Mode dem Stoffhersteller große Schwierigkeiten. Ich sah vor wenigen Tagen in einem Autobus fünf Mädels. Alle hatten fassonmäßig das gleiche an. Helle Blusen oder Sommerpullis, breite Gürtel und weite Röcke mit großen, sehr auffälligen Mustern. Alle fünf blickten fröhlich und unbeschwert in die Gegend und waren sichtlich stolz auf ihre neue „sommerliche Verpackung“. Wie hätte dieses Textilzusammentreffen geendet, wenn nur zwei den gleichen Stoff präsentiert hätten.

Um eine modische Linie, wie sie heute allgemein getragen wird: Bluse oder Pulli, Gürtel und weiter Rock oder die in ihren Fassonen nicht stark variierenden Sommerkleider möglich zu machen, bedarf es Tausender und aber Tausender verschiedener Muster, und diese sollen, wenn möglich, in kleinen Metragen aufden Markt kommen, um Stoffdessinparallelen zu vermeiden.'-

Der Textilhändler wünscht sich daher eine große Dessinauswahl in kleinen Metragen. Wie sollen aber die Herstellerfirmen diesem Wunsche nachkommen? Sie müssen versuchen, sich für ihre Muster ein großes Absatzgebiet zu schaffen und durch Export in die verschiedensten Länder ihre Musterung rentabel zu gestalten.

Eine Frau trägt gerne — mit geringfügigen Abänderungen — die Mode in Schnitt und Fasson, von der sie aus Erfahrung weiß, daß sie sie kleidet. In dieser Beziehung ist sie konservativ. Um aber Abwechslung in ihre Garderobe zu bringen, wechselt sie Farbe und Dessin der Stoffe mit Freude und geht auf den Pfaden der Textilmode viel ungezwungener als auf den Wegen der Kleidermode mit. Sie sucht nicht im Schnitt, sondern im Stoffdessin ihres Kleides ihre Freude und die persönliche Note. Persönlich muß und soll daher auch die Dessinierung unserer Textilfirmen sein. Schon aus wirtschaftlichen Gründen. Wenn eine Frau ein Kleid aus einem getupften, gestreiften oder klein gemusterten Krawatjendessin hat, kann sie es Jahre hindurch tragen. Es ist aber nicht anzunehmen, daß Frauen, die heute einen falschen Picasso oder ein anderes auffallendes Muster dieser Art tragen, nächste Saison dieses Farbflecks nicht überdrüssig sind und sich daher zu einem neuen Kauf entschließen müssen. Die heutige Mode gibt deshalb dem Stoffabrikanten aus erklärten Gründen unerhörte Möglichkeiten. Freilich bevorzugt sie den Textilzweig der Drucker. Der gewebte Stoff ist technisch gebunden und kann daher viel schwerer den modischen Schwankungen der Weltmode folgen. Aber diese auffallende Druckstoffmode wird die Webstoffabrikanten in Wolle, Baumwolle und Seide veranlassen, in ihrer Färb- und Musterdessinierung mutiger zu werden. Die Frauen, die mit ihren farbenfrohen Kleidern im Sommer Erfolg hatten, werden wahrscheinlich auch dann im Winter farbigeren und gewagteren Dessins den Vorzug geben. Freilich wird man sich beim Kauf eines Wollstoffkostüms oder eines Wintermantels, der mehrere Jahre getragen wird, die Farbe genau überlegen. Immerhin wird aber das bunte Bild des. Sommers auch auf die Wintersaison in Wolle im wahrsten Sinne des Wortes abfärben.

Bei der heutigen Modetendenz wird daher das Ausland von den österreichischen Textilfabrikanten jene Stoffe kaufen, welche folgenden Voraussetzungen entsprechen: Sie müssen preislich richtig liegen. (Wir haben es ja mit Kaufleuten zu tun, denen der Textilmarkt der ganzen Welt zur Verfügung steht.) Sie müssen der neuen Modetendenz entsprechen. (Dieses Bestreben zeigen aber wieder die ganzen Kollektionen der Weltkonkurrenz.) Sie müssen daher drittens — um sich von dem Riesenangebot zu unterscheiden — die persönliche Eigenart des Landes und der Herstellerfirmen so augen-

fällig zeigen, daß sie der ausländische Käufer wegen ihrer Originalität kauft. Diese Originalität, die das Land des Herstellers oder die Handschrift der erzeugenden Firma zeigt, muß nicht in der Ueberbetonung der Mode liegen, sie kann auch still und bescheiden sein, aber Originalität muß und soll sie zeigen.

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