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Qualität ist alles!

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Wer in den ersten zehn Tagen des August durch die Hallen der Dornbirner Messe wandert, bekommt einen Begriff von der Leistungsfähigkeit der österreichischen Textilindustrie. Wenn man erfährt, daß die österreichische Textilindustrie im Jahre 195 8 trotz der Konkurrenz des Auslandes für weit mehr als zwei Milliarden Schilling Waren auf dem Weltmarkt absetzen konnte, daß die Vorarlberger Textilindustrie für drei Milliarden Schilling Waren erzeugt hat, daß die Stickereiindustrie für 510 Millionen Stickereien und die übrigen Zweige der Vorarlberger Textilindustrie für 400 Millionen Schilling Garn und Gewebe ausgeführt haben, wird man sich fragen, wie das möglich gewesen sei. Für den aufmerksamen Messebesucher wird es nicht schwer sein, diese Frage selbst zu beantworten. Es gibt eine Reihe von Gründen dafür, vor allem aber liegt es daran, daß in unserem Lande die Zusammenstellung der Farben, die Musterung und auch das Modell aus dem großen Reichtum geschmacklicher Eigenständigkeit entstehen können.

Das menschliche Auge, hat die Fähigkeit, i bunte Farben wahrzunehmen und Farben -zu" unterscheiden. Der Farbsinn des Menschen und seine Freude an den Farben ist so alt wie der Mensch selbst. Nur für den Farbblinden ist die Welt farblos. Menschen mit normalen Augen können sich eine farblose Umgebung gar nicht vorstellen, denn nicht nur die Landschaft,

unsere ganze Umgebung schwelgt in Farben und erfreut dadurch Auge und Herz.

Als der Mensch durch das Klima gezwungen wurde, sich gegen die Kälte und Hitze zu schützen, verwandte er dazu, lange bevor die Weberei und Wirkerei erfunden waren, Felle und Häute von Tieren. Aber schon in der vorgeschichtlichen Zeit hatte er das Bedürfnis, diese Kleider zu färben, und früh lernte er die Kunst, farblose Gegenstände mit mineralischen, pflanzlichen und tierischen Farbstoffen zu färben. Schon im Altertum verstanden es die Färber, Gewebe purpurrot zu färben. Karl der Große setzte sich für den Krappanbau ein, um aus den getrockneten Wurzeln den roten Farbstoff zu gewinnen. Waid diente zum Blaufärben, Wau lieferte die Grundfarbe Gelb, und aus der Indigopflanze wurde das beliebte Indigoblau gewonnen.

Auch in der Zeit, als es noch keine Farbenfabriken gab, brachten es die Färber fertig, die Wünsche ihrer Kundschaft zu erfüllen. Heute stellt die chemische Wissenschaft und Industrie der Textilwirtschaft zehntausende Farben für alle Fasern und alle Färbe- und Druckverfahren zur Verfügung, alle unübertrefflich wasch-, licht- und wetterecht. Die Färberei und der Zeugdruck haben eine Leistungshöhe erreicht, die kaum mehr zu überbieten sein dürfte. In Millionen Abarten kann die Lust an der Farbe befriedigt werden.

Nach Heraklit ist nichts so dauernd wie der Wechsel. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, so würden ihn die Menschen in unserem Jahrhundert erbracht haben, denn sie wollen in jeder Jahreszeit etwas Neues haben. Die Männer und die Frauen, die die Muster entwerfen, mögen noch so fleißig sein und immer neue Ent würfe liefern, ihrer Phantasie mögen immer bessere Muster gelingen, sie mögen in ihren Zeichenateliers noch so viele Motive künstlerisch verwenden, mit ihren Mustern mehr oder weniger Glück haben und den Markt erobern: schon in der nächsten Saison sind ihre Schlager veraltet und die Käufer verlangen ungeduldig neue Muster.

In der Textilindustrie versteht man unter einem Muster eine Zeichnung, die auf Stoffen oder Bändern gewebt oder gedruckt ist. Meist handelt es sich um eine Zeichnung, die auf derselben Fläche regelmäßig wiederkehrt. In der Druckerei nennt man die Druckplatte für Stoffe und Tapetendruck ein Muster. Das Wort Muster bedeutet aber auch ein Vorbild, nach dem man sich richtet. Ein Vorbild hat Anspruch darauf, geschützt zu werden. Mit Recht stehen die Waren- und Formenmuster gesetzlich unter Musterschutz. Einzelne Firmen in der Weberei und Druckerei bringen jährlich tausend, ja zweitausend neue Muster, die Stickereifirmen jährlich mehr als zehntausend.

Seit Jahrhunderten haben die Bewohner Vorarlbergs Textilfasern gesponnen und Garn gewebt, Stoffe gefärbt und bedruckt, gestickt und geklöppelt. Sie haben ihren Geschmack geschult und wissen, daß es darauf ankommt, Qualitätsware zu erzeugen, die man schon an ihrer Fabriksmarke erkennt. Wenn dies nicht der Fall wäre, würde es der österreichischen Textilwirtschaft niemals gelungen sein, die heutige Stellung in der österreichischen Industrie und Ausfuhr zu erlangen. Die kunstgewerbliche Begabung der Oesterreicher zeigt sich auf vielen Gebieten, besonders glücklich bei den Schöpfern der Muster für die Textilindustrie. Ueberall im Ausland gilt der Oesterreicher als liebenswürdig. Die liebenswüdige Art der Oesterreicher kommt nicht nur in der Landschaft, sondern auch in der Kunst und im Kunstgewerbe zur Geltung. In gewissem Sinne erinnert jedes außerhalb unserer Heimat getragene Dirndl an Oesterreich und bedeutet eine Werbung für unser Land und seine Industrie.

Farben, Muster und Modelle aus geschmacklicher Eigenständigkeit entscheiden den Erfolg der österreichischen Textilindustrie und damit auch den Erfolg der Dornbirner Export- und Mustermesse, die vor allem als Fachmesse für Textilerzeugnisse dient. Die Dornbirner Export- und Mustermesse war von allem Anfang an, wie heute alle führenden Messen, eine Mustermesse; auf werden, die dazu dienen, bei Geschäftsabschlüssen die Beschaffenheit der zu liefernden Waren, hier besonders der Textilien, festzulegen. Farben, Muster und Modelle in geschmacklicher Eigenständigkeit sind in Mitteleuropa auf keiner anderen Messe so reichhaltig zu schauen wie auf der in den ersten Augusttagen stattfindenden Dornbirner Export- und Mustermesse. In Dornbirn gibt es Fabrikantenfamilien, in denen das Färberhandwerk seit Jahrhunderten heimisch ist. Ihre Stoffe auf der Messe bestätigen Jahr für Jahr, daß ihnen, ihren Dessinateuren und Arbeitern Farben, Muster und Modelle in geschmacklicher Eigenständigkeit durch generationenlange Tätigkeit und Ueberlieferung in Fleisch und Blut übergegangen sind.

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