Was die Mode streng geteilt
Einst trennte die Mode strikt nach Geschlechtern und Klassen. Heute ist ihr Zeichenspiel paradoxer.
Einst trennte die Mode strikt nach Geschlechtern und Klassen. Heute ist ihr Zeichenspiel paradoxer.
Streift man offenen Auges durch die Wiener Innenstadt, gewinnt man einen umfassenden Eindruck von den Kuriositäten der Mode: Von der stolz zur Schau getragenen Fuchsstola samt mausetot herunterbaumelnden Pfoten und einem Kopf, aus dem einem leere Augen entgegenstieren, bis zum Mini-Burberry-Schal, der dem vierbeinigen Genossen einer "gut behüteten" Dame kunstvoll um das nackte Hälschen drapiert wurde, ist alles Erdenkliche vertreten. Schnell wird sichtbar, dass sich die Dynamik der Mode dem Wunsch nach Unterscheidung, nach Repräsentation von Status und Privileg verdankt, wie Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken in ihrem Buch "Angezogen. Das Geheimnis der Mode" schreibt. Gestern wie heute steht die Mode gerne im Dienste des "dressing up", des Begehrens, ein bisschen mehr darzustellen, als man ist.
Das kokette Understatement des "dressing down" ist schon ein neueres Phänomen: Bloß nicht zu protzig, das könnte schnell nach gelangweilt bummelnder Schönheitschirurgengattin riechen, die mit noch einer neuen Riesenkrokodiltasche die Zahlungsfähigkeit ihres Mannes spazieren führt. Als geschmackvoller gelten subtile Symbole für Insider, die den feinen Unterschied signalisieren, etwa das Krokodil von Lacoste auf der Brust. Schon Karl Marx sprach von Warenfetischismus, Ökonom Thorstein Veblen von Geltungskonsum, Soziologe Pierre Bourdieu verstand die Aufladung eines Designernamens gar als Akt der Zauberei.
Alle sind gleich, jeder ist anders
In den modernen Metropolen treibt die Mode die buntesten Blüten, denn sie gewinnt erst mit der Ablösung von starren Gesellschaften an Fahrt, symbolisiert sie doch die demokratische Logik: Alle sind prinzipiell gleich, doch ist jeder anders. Jeder kann sich frei kleiden, doch halten sich alle an gewisse Kleiderkonventionen. Der postmodernen Mode haftet etwas anrüchig Irrationales und Beliebiges an. Das war nicht immer so.
Vor der Französischen Revolution signalisierten Kleidervorschriften eine kosmische, gottgewollte Ordnung. Doch ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die stolz zur Schau getragenen Insignien der aristokratischen und klerikalen Privilegien als arrogante Anmaßung verstanden. Es war Philippe d'Orléans, genannt Philippe Égalité, der zum dritten Stand überlief und damit auch der Kniebundhose (culotte) adieu sagte. Passend zur neuen Attitüde legte er allerlei schmückenden Tant wie Perücken und Puder, Samt und Seide, Stickereien, Spitzen und Federn ab und ersetze diese durch lange Hosen - die Vorläufer der modernen Männermode. Das neue Ideal der Brüderlichkeit verlangte für die Männer nach Kleidern, die Gleichheit durch Uniformität suggerieren. Die aristokratische Zurschaustellung des Körpers und seiner Reize war von nun an Privileg -oder Bürde - der Frauen.
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