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Vom Schönheitsideal der „ deutschen Frau"

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Der Nationalsozialismus beanspruchte alle Lebensbereiche für sich, die Mode gehörte ebenso dazu wie die Architektur oder der Tourismus. Erstmals wurde in diesem Band der Versuch gemacht, die verschiedenen Aspekte der Modeströmungen zwischen 1933 und 1945 aufgrund historischen Materials wissenschaftlich aufzuarbeiten. Gloria Sul-tano versucht, die Strategien der Nazis aufzuzeigen und analysiert die Reaktionen auf diese Lenkung von „oben”.

Entsprechend der nationalsozialistischen Propaganda verkörperte die „deutsche Frau” das mütterliche, sorgende und selbstlose Wesen in der Gesellschaft. Diese Werte sollten sich auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild widerspiegeln. Extravagante Vorbilder, wie das der Greta Garbo, die selbstsicher ihre Weiblichkeit feierte, teure Parfüms benutzte, rauchte, gerne ein Gläschen zu sich nahm und ausgefallene Kleidung trug, waren für die „deutsche Frau” ein Tabu. Die glitzernden Bilder der Traumwelt Hollywood sollten aus den Köpfen der deutschen Frauen verdrängt werden.

„Das ganze Volk ist heute viel anständiger angezogen”, soll Adolf Hitler befriedigt festgestellt haben, nachdem der NS-Feldzug gegen die Pariser Couture und die jüdischen Produzentinnen ab 1935 schärfer geworden war. Der tonangebende Mittelpunkt der deutschen Mode sollte Wien werden und bald entwarf das „Haus der Mode” in Wien sogenannte Bichtungskollektionen - ein Stilmix aus Zweckmäßigkeit und „natürlicher Weiblichkeit”, aus Bescheidenheit und dem Versuch, den „kulturellen Führungsanspruch in Europa” zu behaupten. Die Attraktivität der deutschen Frauenmode - so propagierte damals die Zeitschrift „Deutsche Frauenkultur” - sollte in der Natürlichkeit ihrer Formen, der Vermeidung „wesensfremder” Einflüsse und

der Bevorzugung der Schnitte bestehen, die dem „nordischen Schönheitsideal” gerecht wurden. Die Bekleidung demonstrierte aber auch die „Volksgemeinschaft”, die „absolute Einheit”.

Ungeschminkte, braungebrannte Mädchen- und Frauengesichter mit vom Wind zerzaustem Haar wurden zum Leitbild nationalsozialistischer Vorstellungen. Immerhin, einige Forderungen des NS-Frauenideals entsprachen dem Zeitgeist und setzten sich auch in der internationalen Mode durch: Die überaus schlanken andro-gynen Garconnetypen der zwanziger Jahre - wie etwa Marlene Dietrich -waren out, sie wurden von einem feminineren Fraueifideal abgelöst.

Wie weggeblasen schienen geistige und soziale Gleichberechtigung, frau fand ihr Heil offensichtlich wieder in der Häuslichkeit. Glockenröcke kamen auf, die Brüste wurden wieder betont (der Büstenhalter startete 1936 seinen Siegeszug), Wespentaille, weichgewellte Frisuren dominierten. (Die Dauerwelle begann sich 1933 auch in unseren Breiten durchzusetzen.)

Die Rocklänge war kurz: frau zeigte viel Bein. Trachten sollten unbeschwerte Fröhlichkeit, Lebenslust und Patriotismus vermitteln - Dirndl und Trachtenkostüme wurden in den Rang der städtischen Alltagskleidung erhoben, drückten Sauberkeit und Reinheit der Trägerin aus. Die Mode der Dreißiger war gegenüber den wilden Zwanzigern wesentlich zurückhaltender und weiblicher - sie entsprach damit eher den.Vorstellun-gen der Nationalsozialisten.

1939 kam dann die sogenannte „Kleinmädchen-Silhouette” auf. Dieser Frauentyp wirkte frisch, jung und sauber: Marineblau und Karos, Streifen und Tupfen, weiße Blusen und Schulmädchenhüte, Capes, Rüschen, Taftschleifen und weiße Söckchen

waren in, machten aus jeder Frau ein „braves liebliches Wesen”. Gekennzeichnet war diese Mode auch durch Unterröcke aus Taft und Stickerei, schmale Hüften, enge Jacken und Oberweiten, sittsame weiße Kragen, Manschetten und Smokverzierungen. Begehrt waren die einfachen, in dunklen Farben gehaltenen Prinzeßklei-, der. Die Schnitte waren stoffsparend, die Ärmel oft nur halblang mit andersfarbigen Aufschlägen, die schmale Taille wurde durch einen Gürtel betont. Auch das „Gesellschaftskleid” jener Tage war dunkel, hochgeschlossen, hatte große Kragen und etwas

glockenförmige Böcke.Mit dem Fortschreiten des Krieges veränderte sich die „deutsche Mode”: Eine immer strengere und männlichere Kleidung löste die einstigen Vorstellungen der Nationalsozialisten von „wahrer Weiblichkeit” ab. Durch Stoffrationierungen verschwanden im Laufe der Kriegsjahre Falten und Glocken der Böcke. Die Mode bekam immer stärkere militärische Akzente.

Wie geistiges Kokain... Mode unterm Hakenkreuz

Von Gloria Sultano. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1995. 550Seiten, 60Abb., öS448,-

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