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Die Midlife-Mode

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Wer sich aufs Wesentliche konzentriert, hat nicht nur den Silberstreif am Konjunkturhimmel „geortet", sondern auch den Schlachtruf der internationalen Herren-Mode-Woche vernommen: „Der Mann investiert wieder in Mode!"

Na, endlich! Lange genug hat er in Maschine, Energie, in Umwelt, Versicherung und Genußschein investiert, in Fortbildung gar,oder in Familie und/oder Frau, in Urlaub oder Elektronik. Schluß damit! Investieren wir in Mode, meine Herren!

Am Budget soll's ja nicht liegen. Mit solchen Lappalien gibt sich der Mann von Welt nicht ab. Es geht, meine Herren, vielmehr um die ganz entscheidende Frage, ob Sie gewillt sind, die nun seit Jahren durch den Feminismus und andere image-zersetzende Bewegungen verunsicherte und stark angeschlagene männliche Reputation durch ein kräftige Geste an der Konsumfront wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wer investiert, das sind noch allemal wir Männer! Wir lenken die Wirtschaft. Und wenn sie befiehlt, so folgen wir.

Treten wir also, um den Umfang der Investition in Augenschein zu nehmen, vor den Spiegel! Was sehen wir?

Erstens Hose mit Bügelfalte. Vermutlich von einer Gattin, die uns der Lächerlichkeit preisgeben wollte oder die über den Trend nicht informiert ist, heimtückisch scharf angebracht.

Bügelfalte ist out. Nicht, als ob der Mann von Welt nun seine bisherigen Hosen ohne Bügelfalte tragen dürfte! Wo bliebe da die Investition! Weg mit solchen Hosen! Die neuen Herrenmodehosen haben keine Bügelfalte. Sie sind dafür dezent gemustert, eventuell kariert. Bedenken Sie, meine Herren, sollte Ihnen die Investition schwerfallen, daß sich bei den heutigen Strompreisen der Einsatz schon allein durch die Bügelersparnis lohnt. Die Gattin können Sie ja auch anderwertig beschäftigen.

Es ist nicht erforderlich, zu der karierten Pluderhose auch eine rote Pappnase zu tragen. Die Investition betrifft weder den Fasching noch den uns umgebenden öffentlichen Zirkus, wird allerdings zu heiterer Stimmung sicher beitragen.

Zweitens — Ihr Blick in den Spiegel hebt sich nun zum Oberkörper empor — betrachten Sie Ihr Sakko. Pfui, einreihig! Sie sind unter solchen Umständen kein Erfolgstyp. Also, weg damit! Zweireihig ist „in". Mit gewaltig gepolsterten Schultern, damit die Verantwortung, die Sie als schwere Last tragen, auch Platz hat.

Und bitte Mut zur Farbe. Leicht gedeckt, Dekor des Jugendstils. Umsonst sind Schiele und Klimt nicht so im Ansehen und Preis gestiegen. Metall-, Holz- und Glasfarben sollen es sein. Tweed, Fischgrat, Glencheck und Karo.

Seien Sie froh, daß um den Hals der sogenannte Vatermörder noch nicht wiederkommt. Es genügt, wenn Sie in Krawatten investieren. Leder, sonst verpönt, ist dafür das neue Krawattenmaterial. Bedenken Sie, wie strapazfähig eine Krawatte sein muß! Geheimtip für den gepflegten Snob: ganz schmale Lederfliege. Da werden die rückständigen Bügelfaltenträger aber Augen machen!

Der wuchtige Investor, als der Sie jetzt auftreten, wird nun in einen Plüschmantel gesteckt und mit einem Casablanca-Hut bedeckt. Der diskrete Charme der Bourgeoisie umweht Sie.

Wenn Sie jetzt noch wissen, daß diese neue Herrenmode selbstverständlich wie jede Mode nicht ohne Rückgriff in die Geschichte auskommt — dann begeben Sie sich in der investierten Kostümierung am besten in die Wiener Remise Koppreitergasse, wo Ihnen in einer Ausstellung das soziale und politische Ambiente zu dieser Aufmachung geboten wird. Sie werden sich dort wie selbstverständlich in das Gesamtbild einfügen und -in Ihrer Unauffällig-keit sichtlich wohl fühlen.

Mit Ihrer Investition haben Sie Arbeitsplätze gesichert und daher auch dem Appell an die Gegenwart voll und ganz entsprochen.

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