Wirken Antidepressiva?

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"Unglückselig" nennt der Salzburger Primararzt Manfred Stelzig die Studie von Kirsch. Seine tagtägliche Erfahrung beweise das Gegenteil: Antidepressiva in Kombination mit Psychotherapie seien ein Segen.

Die Praxis beschreibt er so: "Im engen Kontakt mit den Patienten suchen wir ein helfendes Medikament. Und ja, es gibt Psychopharmaka, die bei gewissen Personen nicht oder schlecht wirken, aber dann probieren wir es mit einem andern Antidepressivum." Als alltagsfern kritisiert er die klinischen Versuche: "Da geht es oft nur mehr darum, die Studienzeit durchzuhalten - unabhängig davon, wie sich der Patient fühlt."

Dass nicht jeder auf jedes Medikament anspricht, weiß auch Gerald Gartlehner. Vier von zehn seien so genannte Non-Responders. Dass das Team um Kirsch diese nicht herausgerechnet habe, kritisiert der klinische Epidemiologe: "Der Mittelwert ist nicht aussagekräftig. Jene, die auf die Medikamente ansprechen, sprechen höher an; jene, die nicht ansprechen, sprechen weniger an." Trotz dieser methodischen Ungenauigkeit hält Gartlehner das Ergebnis der Kirsch-Studie für richtig: Antidepressiva wirken nur bei sehr schweren Fällen besser als Placebo-Präparate.

Dabei ist der Placebo-Effekt ungewöhnlich stark. Gartlehner erklärt sich das so: "In den doppelt verblindeten Studien erkundigen sich die Ärzte und Krankenschwestern sehr genau, wie es den Patienten geht. Durch diese persönlichen Kontakte sprechen viele positiv an." Klar, ein Gefühl von Zuneigung verbessert die Stimmung. Doch die Revolution der Antidepressiva bestand gerade darin, dass sie die Patienten erst ansprechbar - und damit therapierbar - machten.

Doch leiden die angeblich 400.000(!) Betroffenen in Österreich an einer solch schweren Form der Depression, dass sie unbedingt Medikamente brauchen? Das darf man bezweifeln. Richtig ist jedoch auch: Sehr viele leiden, ohne irgendeine Hilfe zu bekommen. Die Krankheit ist leider immer noch ein gesellschaftliches Tabu. TM

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