SPÖ und ÖVP: Ein Stück des Weges mit Christlich-Sozialen?

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Nach dem „Burger“-Video buhlt SPÖ-Chef Andreas Babler um ÖVP-Wähler – und Kanzler Karl Nehammer um Caritas, Diakonie und Co. Fakt ist: Der linke Flügel der Volkspartei scheint verschwunden. Ein Gastkommentar.

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Nach dem „Burger“-Video buhlt SPÖ-Chef Andreas Babler um ÖVP-Wähler – und Kanzler Karl Nehammer um Caritas, Diakonie und Co. Fakt ist: Der linke Flügel der Volkspartei scheint verschwunden. Ein Gastkommentar.

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Andreas Babler übt den Vorwahlkampf: Zuletzt sandte er eine Einladung an die „Christlich-Sozialen“ der Volkspartei, mit der SPÖ doch „ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen“. Damit schließt er an den Slogan an, den Bruno Kreisky an die „Bürgerlichen“ gerichtet hatte. Doch die Umstände sind verschieden. Kreisky – eher Sozialdemokrat denn Sozialist – war Bourgeois und Citoyen gleichermaßen; Babler hingegen – eher Sozialist denn Sozialdemokrat – ist weder noch. Unabhängig vom Habitus ihres einstigen und heutigen Vorsitzenden bergen die Avancen der SPÖ in Richtung „Mitte“ allerdings nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Weite Kreise der bezirzten Christlich-Sozialen teilen mit der neuen SPÖ-Führung nämlich einen wichtigen alten Affekt: die Abneigung gegen eine Koalition mit der FPÖ.

Seriöse Mitte zwischen den Extremen

Parallel dazu wird deutlich, dass seitens der ÖVP Kontakt und Kontext mit Menschen und Inhalten, die sich christlich-sozial definieren, schwächer werden – trotz aller momentanen Bemühungen von Karl Nehammer, die Irritationen durch das jüngste „Burger“-Video bei einem Gesprächstermin mit Sozialorganisationen zu glätten. Das liegt nicht nur an der – weniger rationalen als emotionalen – Distanz der Volkspartei zur sogenannten „Caritas & Diakonie-Fraktion“, der sie Nähe zu den Grünen unterstellt, sondern auch am Verschwinden eines „linken“ Flügels, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg sehr wohl bestanden hatte. Dabei liegen die Themen und Titel heute mehr denn je auf der Hand: von der Mieten- über die Preis- bis zur Steuerpolitik usw. So ist die Abschaffung der Kalten Progression gewiss ein „großer Wurf“ zur Stärkung der Mitte; von der enormen Inflation sind freilich die Ärmsten und Reichsten am meisten betroffen: negativ die einen und positiv die anderen. Worunter die einen leiden, darüber lachen die anderen: als Verlierer bzw. Gewinner von Spekulation.

Dass die Kluft zwischen Arm und Reich – auch objektiv – immer größer wird, provoziert christlich-soziale oder „linke“ Politik; und nur, wenn sie das beachtet, bleibt die Volkspartei dem Anspruch ihres Namens authentisch verbunden. Will die ÖVP gegen die Verlockung der SPÖ ankämpfen und wieder zu einer Integrationsbewegung der rechten und linken Mitte werden, muss sie sich des Ansporns erinnern, wie er aus ihrem Bekenntnis zu Personalität, Solidarität und Subsidiarität in Wort und Tat erwächst. Denn viel mehr als populistische Extreme braucht eine seriöse Mitte den Bezug zur Wurzel, um nicht ab- oder auszusterben.

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