Das Frankreich des August wurde plötzlich aufgeweckt und sieht die Gespenster atomarer Kriege oder zumindest des Wiederauflebens eines kalten Krieges.Bis zu den Ereignissen in der Tschechoslowakei kannten die 22 Millionen Staatsbürger, welche die Badestrände der Normandie, der Bretagne und Cöte d'Azur bevölkern, zwei Gesprächsthemen: die Preissteigerungen, die jeden Haushalt bedrücken, und die Formt welche die Studenten : und Gewerkschaften wählen, um die permanente Revolution fortzusetzen.Dann aber rasselten die russischen Panzer in den Straßen von Prag, Pilsen und Brünn. Beendet
Am Mittwoch nachmittag, dem 10. Juli, raufte sich der Programmdirektor des französischen Fernsehens die Haare. Für diesen Abend war ein Film des Gruselspezialisten Hitchcock „Auf Wiedersehen, Georges“ angekündigt. In den Stunden vor Beginn der Sendung wurde offiziell bekanntgegeben, daß der seit sechs Jahren amtierende Ministerpräsident Georges Pompidou durch den bisherigen Außenminister Couve de Murville ersetzt werde. Der ORTF-Direktor glaubte in diesem Filmtitel eine Spitze gegenüber dem neuen Regierungschef zu sehen und wählte sinnigerweise einen anderen Film aus. Und wie
Auch Tage nach dem Wahlsieg de Gaulles ist der französische Buchmarkt mit Berichten, Untersuchungen und Photoalben über die Mairevolution überschwemmt. Kluge Publizisten, beispielsweise Jean Jacques Servan- Schreiber, Herausgeber der bekannten Zeitschrift „Expreß", Soziologen und Philosophen, die Studentenführer oder Politiker, ein Me nd ės France, sie wünschen ihre Meinung abzugeben, versuchen geistige Zusammenhänge zu entdecken und das Phänomen dieser Revolution in der Entwicklung unserer Zivilisation zu deuten. Schließlich rechnet man mit einem guten Geschäft. Jeder Franzose fahndet unermüdlich nach den Ursachen des Ausbruches. Eingeweihte Kreise flüstern, daß Ähnliches im Herbst, und zwar Anfang Oktober zu erwarten sei. Dann allerdings würden die Auseinandersetzungen blutiger und haßerfüllter enden als in den Maitagen.
Ja, es war eine Revolution, die Frankreich im Mai 1968 auf das tiefste erschütterte. In den gewaltigen Straßenschlachten zwischen Studenten und den Ordnungstruppen, nach einem Streik, der 10 Millionen Arbeiter und Angestellte durch Wochen zum Nichtstun zwang, in unzähligen Aufmärschen, an denen bis zu 1 Million Menschen teilnahmen, geziemt es sich, eine erste, natürlich vorläufige Bilanz dieser Ereignisse zu ziehen.Seit der großen Revolution 1789 wurde die Nation noch nie von einem solchen Fieber geschüttelt wie in unseren Tagen. Es berührt eigenartig, daß niemand, und dies möge
13. Mai 1968! Flattern Fahnen über Paris, werden an diesem Gedenktag Ansprachen abgehalten, erfolgen Sondersendungen im Fernsehen, um jenen historischen Mai 19S8 zu feiern! Wir erinnern uns; vor genau 10 Jahren stürmten tausende Jugendliche den Palast des Generalresidenten in der Stadt Algier. Die französische Armee schloß sich dieser Bewegung an, das parlamentarische Regime der 4. Republik beging einen beinahe unwürdigen Selbstmord. Der in der Einsamkeit fast vergessene General de Gaulle übernahm die Macht und entwickelte eine besondere Form des Regimes, das wohl am besten mit einem autokratischen Königtum verglichen werden kann.