Sehr geehrter Herr Präsident, Ihr Brief überbringt mir, in Ihrem Namen und im Namen aller, Glückwünsche zu meinem Geburtstag. Verzeihen Sie mein Befremden. Dieser Tag scheint mir nämlidi, meiner Eltern wegen, in die Intimität zweier Menschen zu gehören, die Sie und die anderen nicht kennen. Ich selber habe nie die Kühnheit au/pebracht, mir meine Zeugung und meine Geburt vorzustellen. Schon die Nennung des Geburtsdatums, das nicht für mich, aber für meine armen Eltern eine Bedeutung gehabt haben muß, ist mir immer vorgekommen wie die unstatthafte Nennung eines Tabus und die Preisgabe
Zugegeben, daß Ich nicht mehr weiß, warum ich hier Ibbe; denn ich schreibe ja über Wien, oder ich bin vielmehr, wenn ich schreibe, in Wien. Und zugegeben, daß ich hier keinen Einspänner, keinen großen Braunen, keinen Kapuziner trinke, sondem einen Capuccino, und daß die Wohnungen teuer sind, aber das Essen billiger ist, daß plötzlich alle Freunde Giulio oder Giorgio oder Luciano heißen, Oinevra, Marina, Alda. Zugegeben, daß man schon in einer anderen Sprache träumt aber angeblich bedeutet das gar nichts; man muß nämlich zählen können in einer anderen Sprache, eben das kann ich
Zu fragen habe Ich mich nur noch, seit alles so geworden ist zwischen uns, wie es eben ist, was wir denn sein können füreinander, Malina und ich, da wir einander so unähnlich sind, so versAieden, und das ist nidit eine Frage des Gesdilechts, der Art, der Festigkeit seiner Existenz und der Unfestigkeit der meinen. Allerdings hat Malina nie ein so konvulsivisches Leben geführt wie ich, nie hat er seine Zeit verschwendet mit Nichtigkeiten, herumtelephonlert, etwas auf sich zukommen lassen, nie ist er in etwas hineingeraten, noch weniger eine halbe Stunde vor dem Spiegel gestanden, um sich