Zwanzig Jahre sind es her, seit sich die Vision eines Nietzsche im Untergang der 6. Armee in Stalingrad erfüllte. Ist dieses ungeheuerliche Geschehen von den heute Vierzig- bis Siebzigjährigen, also von denen, die es miterlebten und die heute (noch) die Führungsschichte stellen, bewältigt, geistig und politisch verarbeitet worden? Es gibt hinsichtlich der Geschichte des zweiten Weltkrieges und besonders Stalingrads eine Art von Bewußtseinsspaltung. Wohl waren die Jahre unmittelbar nach dem Krieg für viele eine Zeit der ehrlichen Gewissenserforschung gewesen; in dem Maß aber, in dem (bei
Am 31. Jänner 1943 erreichte um 7.45 Uhr folgender Funkspruch des AOK. 6 die Herresgruppe Don: „Russe vor der Tür. Wir bereiten Zerstörung vor.“ Wenige Minuten später wurde Feldmarschall Paulus mit den Resten des Armeestabes gefangen genommen. Eine Gedenktafel kennzeichnet heute jenes Haus in Stalingrad, in dessen Keller Paulus am 31. Jänner 1943 die Kapitulation unterzeichnet hat. Der Nordkessel unter General Strecker kämpfte weiter, bis zum 2. Februar vormittag. Hitler hatte noch am1. Februar an das XI. AK. gefunkt: „Ich erwarte, daß der Nordkessel von Stalingrad sich bis zum
Am besten hatten es eigentlich noch jene Soldaten, die verwundet oder krank heimkamen. Wenn ich diese Artikelserie schreiben kann, verdanke ich dies auch nur einer schweren Leberschädigung, die mich während der Kämpfe um Stalingrad nach fünfmaligem Umsteigen von einem Flugzeug zum nächsten in zwei Tagen nach Wien und dann auf drei Monate ins Spital brachte, wo mich der Chefarzt mit den „hoffnungsvollen“ Worten begrüßte: „Drei solche Kanarienvögel haben wir schon gehabt, aber die sind uns alle eingegangen!“Als ich vor kurzem, zum 20. Jahrestag, in einem niederösterreichischen
„Was Jubel und Jammer war, toll nun zur Erkenntnis werden!“ Dieses tief« Wort Jakob Burckhardfs möge über unserer ernsten Erinnerung an die Wende des zweiten Weltkrieges stehen. Am 30. Jänner 1933 übernahm Hitler die Macht, damals für Millionen Anlak zum Jubel; genau zehn Jahre später kam mit der Tragödie von Sfalingrad der grohe Jammer. Die folgenden Zeilen sollen zur Erkenntnis beilragen, wie die Menschheit eine dritte Tragödie in diesem Jahrhundert noch verhindern könnte...
Eine politische und militärische Katastrophe bricht ja selten unvermutet und plötzlich herein; meist ist sie das Endergebnis vieler irriger Anschauungen und vermessener Handlungen der führenden Schichte eines Volkes, letzte Konsequenz einer grundsätzlich falschen Einstellung zum natürlichen Sittengeselz — das jeder in seinem Gewissen erkennt — und äufjeres Zeichen für das Versagen einer Weltanschauung, deren schwere Irrtümer vielen erst durch eine solche Kalasfrophe bewufct werden.