Die folgenden Betrachtungen Furtwänglers stammen vermutlich aus dem Jahr 1916 oder 1917, allenfalls ist dies der terminus post quem non. Sie wurden uns von der Witwe des großen Dirigenten, Frau Elisabeth Furtwängler, zur Verfügung gestellt, die am Genfersee lebt — in jener Landschaft, die Furtwängler die liebste war — und die schon seit vielen Jahren eine aufmerksame Leserin der „Furche“ ist. Diese Studie, die bisher weder in einer Zeitung noch in Buchform veröffentlicht wurde, ist deshalb von besonderem Interesse, weil gegenwärtig eine Schallplattenkassette mit dem „Ring des Nibelungen“ vorbereitet wird, die im Herbst 1972 erscheinen soll. Es handelt sich dabei um Tonbandaufnahmen der RAI, Rom, die im Jahr 1953 unter Furtwänglers Leitung gemacht wurden. Im Großen Sendesaal auf dem Foro Italico wurde, vor geladenen Gästen, jeweils ein Akt gespielt und aufgenommen. Diese Plattenserie ist das Resultat einer lebenslangen Beschäftigung mit dem Werk Wagners. In den folgenden Aufzeichnungen spiegelt sich eine erste zusammenfassende kritische Auseinandersetzung mit der Tetralogie. F.
Durch verschiedene Einflüsse, durch Einwirkung einzelner, durch eine bewußtere und theoretisch mehr festgelegte Art, der Musik der Vergangenheit (die ja ihrerseits auch in immer größere Ferne rückt) zu begegnen, ferner durch das technische Denken usw. hat unser Musizieren begonnen, eine Wandlung durchzumachen. Man muß sich dabei natürlich vor zu großen Verallgemeinerungen hüten; nicht das Musikleben im ganzen und nicht in allen Ländern gleicherweise wandelt sich, aber immerhin ein Teil, der mit dem Anspruch auftritt, ein wesentlicher, ein führender Teil zu sein. Auch erstreckt sich diese Wandlung nicht auf alle Literatur mit derselben Stärke. Am meisten von ihr betroffen wird zweifellos die sogenannte „klassische“ Musik.
An Ludwig CurtiusMünchen, Montag, 10. Mai (1904)Daß es für mich damals zu früh war, in Griechenland, glaub’ ich gerne und geh’ ich ganz zu, ich bin auch froh, daß ich jetzt noch nicht wieder dort bin und verehre das Griechentum hier für mich in meiner Kammer, und es kann auch da die schönsten Früchte haben. Dieses griechische Problem, oder wie man’s nennt, ist doch ein gar merkwürdiges Ding; es entsteht eigentlich erst für uns, indem wir uns thätig auf uns selbst und unser eigenes Vermögen zurückwenden Ich habe in der letzten Zeit allerlei Sachen von Nietzsche gelesen, den
Durch verschiedene Einflüsse, durch Einwirkung einzelner, durch eine bewußtere und theoretisch mehr festgelegte Art, der Musik der Vergangenheit (die ja ihrerseits auch in immer größere Ferne rückt) zu begegnen, ferner durch das technische Denken usw. hat unser Musizieren begonnen, eine Wandlung durchzumachen. Man muß sich dabei natürlich vor zu großen Verallgemeinerungen hüten; nicht das Musikleben im ganzen und nicht in allen Ländern gleicherweise wandelt sich, aber immerhin ein Teil, der mit dem Anspruch auftritt, ein wesentlicher, ein führender Teil zu sein. Auch erstreckt sich