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Ein Ende der Bequemlichkeit

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Verwaltungsautonomie, Studiengebühren, moderne Technologien und Geigernachwuchs ... Die Probleme der Musikhochschulen von Berlin bis Helsinki, vom Pariser Conservatoire bis zur Boyal School of Music in London ähneln einander, und so trafen in Wien sechzehn Lei-ter von traditionsreichen Musikhochschulen und Konservatorien zusammen. Nicht, daß es sonst keine Treffen gäbe, aber bei Zusammenkünften aller europäischen oder internationaler Rektoren bleibt zuwenig Raum für den Dialog.

Dem wollte der Rektor der Wiener Musikhochschule, der Geiger Michael Frischenschlager, Abhilfe schaffen. Auf eigene Kosten angereist, auf Einladung der Hochschule untergebracht, bejahten die Direktoren prinzipiell die Institution Musikhochschule. „Wir sind gleichzeitig Bewahrer - wie das Wort Konservatorium sagt - und Träger des Neuen”, sagt Frischenschlager. Das Symposion gab auch Antwort auf eine Standortbestimmung der Wiener Musikhochschule.

Die Freude über ein vergleichsweise hohes Jahresbudget von 600 Millionen in Wien wird getrübt von der beschränkten Verwendungsfreiheit. „Mit dem Geld könnten wir wesentlich mehr machen”, sagt Frischenschlager. „In Großbritannien können die Hochschulen ihr Personal und ihr Schulbudget selbst und gemeinsam verwalten: entweder neue Instrumente oder ein neuer Lehrer. Das hieße aber mehr Verantwortung und ein Ende der Bequemlichkeit der Staats Versorgung.”

Die Wiener Musikhochschule kann stolz sein auf ihre barocke Kirche in der Wiener Innenstadt und auf die moderne Studiobühne des Reinhardtseminars und der Gesangsabteilung. Zwar genieße sie einen hohen Ruf „durch den Geist, der sie umweht und das kulturelle Umland”. Trotzdem, sowohl was die Integration neuer Fächer wie die Methodik des Unterrichts betrifft, könne Wien für sich Modernität nicht beanspruchen. Frischenschlager wünscht sich „statt Verschulung projektbezogenen Unterricht und klassenübergreifende Seminare, Synergieeffekte durch stärkere Einbeziehung der Lehrer und Studenten”. Und möchte dies gleich an seiner Abteilung, jener der Streicher, umzusetzen. „Nach jeder Stunde soll der Schüler energiegeladen weggehen. Warum”, fragt er, „lernt man in Sommerkursen viel mehr als im Alltagstrott eines Semesters?”

Frischenschlager leidet unter der Verwaltungsstruktur in Wien, die am Stand von vor fünfzig Jahren ist. Er fordert die Unterstützung des Rektors durch einen Ko-Rektor. In der wesentlich kleineren Prager Musikhochschule sind dem Rektor noch drei Rektorstellvertreter beigegeben. Trotz des Bekenntnisses zur Professoren-Selbstverwaltung fürchtet Frischenschlager: „Die Demokratie frißt unsere Zeit, jeder Vorschlag muß durch alle Gremien.”

Von den im Ausland üblichen Kooperationen zwischen Tonmeisterausbildung und Rundfunkanstalten kann die Wiener Hochschule erst träumen. Welchen Vorschlag eines internationalen Kollegen er gleich umsetzen wolle? „Die Studienpläne entrümpeln und Fächer zur Persönlichkeitsentfaltung einführen.” Demnächst wird er aber - nach zwei Jahren ohne Urlaub - sein Amt zurücklegen.

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