Wien muss Viterbo werden

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Die Geschichte ist Legende: Zwei Jahre und neun Monate lang rangen die Kardinäle im mittelitalienischen Viterbo um den neuen Papst. Umsonst. Erst als die Bevölkerung anno 1271 wutentbrannt das Dach demontierte, konnte man sich einigen.

Fast ebenso planlos wie einst die Papstwahl mäandert derzeit die Schulreform: Die spö forderte die Streichung der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen, um Reformen zu ermöglichen; die övp schwenkte überraschend ein; prompt schreckte die spö zurück und sorgte sich um Schulgeldfreiheit, Schulpflicht und das öffentliche Schulwesen. Gemeinsam mit dem Wiener Kardinal forderte sie auch die Absicherung von Privatschulwesen und Religionsunterricht.

Ein Angebot, dass die övp nicht ablehnen konnte? Falsch gedacht: Trickreich junktimierte die Bildungsministerin die formulierten Wünsche mit einem eigenen: der verfassungsmäßigen Absicherung des gegliederten Schulsystems. Mit diesem neuerlichen Schwenk hat Elisabeth Gehrer nicht nur den Bund zwischen Alfred Gusenbauer und Christoph Schönborn torpediert, sondern das Schulreformschiff wieder in den Ausgangshafen gesteuert. Mehr als allgemeines Unwohlsein hat die Odyssee also nicht gebracht.

Um den Schaden zu begrenzen, werden beim dieswöchigen "Krisengipfel" hoffentlich Äpfel und Birnen getrennt (siehe auch Leserbrief auf Seite 12): Das Grundrecht aller anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften auf freie Religionsausübung - unter anderem in der Schule - ist in der Verfassung abzusichern. Davon zu unterscheiden sind Schul(organisations)gesetze im engeren Sinn.

In diesem Bereich noch auf Reformen zu hoffen, scheint nach den letzten Scheingefechten freilich illusorisch. Hier hilft wohl in Wien - wie einst in Viterbo - nur Leidensdruck. Immerhin: Die nächste pisa-Studie kommt bestimmt...

doris.helmberger@furche.at

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