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nachts ging das telephon

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Lochham liegt am Rande von München. Es hat bedeutend mehr Bäume als Einwohner und kein Nachtleben. Deswegen wohnt auch Werner Egk dort. In dessen Wohnung ging vor kurzem, so wußte „Christ und Welt“ zu melden, nachts das Telephon. Frau Egk nahm, den Hörer ab und meldete sich. Zu ihrem Erstaunen wurde ein Ferngespräch aus dem Kongo angekündigt. Dann meldete sich der Anrufende, der sich als Lut mumba, Ministerpräsident der Kongorepublik, vorstellte. Anfänglich war die Stimme schlecht zu verstehen, denn sie bemühte sich, Deutsch zu sprechen, doch als sie ins Französische überwechselte, da klappte die Verständigung ganz gut. Es stellte sich heraus, daß Lumumba eine Na|joiuljvmnel^.,^ntsne4|[eo' Kongostaat-be-: stellen wollte. Jedenfalls wurde der Auftrag erteilt. Der Text.der.Hymtutvso wurdcankgeteiliv, sei bereits vergeben. Er werde in den nächsten Wochen mit der Post in Lochham eintreffen. Hierauf verabschiedete sich Lumumba mit allen höflichen Redewendungen, deren die französische Sprache fähig ist, und hängte ein.

Leider konnte dieses Ferngespräch nicht auf Tonband aufgenommen werden. Das ist insofern schade, als Werner Egk in selbiger Nacht gar nicht zu Hause war. Er ist nämlich für längere Zeit verreist. Vor September wird er nicht nach Lochham zurückkehren.

Am Tage nach dem nächtlichen Anruf kam allerdings leichter Zweifel auf. Es ist ja nicht völlig ausgeschlossen, daß sich ein Spaßvogel, der Werner Egk einen Possen spielen wollte, als Lumumba ausgegeben hat. Anderseits ist es keineswegs unwahrscheinlich, daß Lumumba selbst angerufen hat. Ihm eilt es ja ungeheuer, seinen Staat mit allen Attributen eines solchen auszustatten. Dazu gehört natürlich eine Nationalhymne. Zwar gebricht es den Kongolesen erwiesenermaßen nicht an Selbstgefühl, doch das genügt noch nicht, denn es muß auch sangbar gemacht werden, damit es die Welt hören kann. Vielleicht hofft er auch, daß sich die Kongolesen mit Hilfe einer nagelneuen Nationalhymne beschleunigt zusammensingen werden. Da Lumumba ein Mann von raschen Entschlüssen ist, hat er eben das Gewünschte telephonisch bestellt.

Für Werner Egk, der selbst erst im September nach Lochham zurückkehren wird, ist dieser ungewöhnliche Kompositionsauftrag natürlich ehrenvoll, doch ob er ihn annehmen wird, das ist noch nicht bekannt. Falls er es tut, dann wird in Lochham das Leitmotiv der Kong'o-republik entstehen, das hoffentlich zu einer friedlicheren Zukunft weisen wird.

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