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"La Calisto", Dramma per musica von Giovanni Faustini als Festwochen-Aufführung.

Jupiter schlüpft in die Gestalt von Diana und verführt die Nymphe Kallisto. Dafür wird der Himmelsherrscher vom lüsternen Pan verfolgt, welcher der vermeintlichen Göttin den Hof macht. Und irgendwo tummelt sich auch noch die Nymphe Lynfea, eine alte Jungfer, die von einem Buffotenor verkörpert wird. Wohl keine Oper des 17. Jahrhundert ist frivoler und schlüpfriger als Pietro Francesco Cavallis "La Calisto". Die barocke Travestie ist nun die erste Musiktheaterproduktion der diesjährigen Wiener Festwochen - eine zehn Jahre alte Inszenierung aus Brüssel des im Vorjahr verstorbenen Herbert Wernicke, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat: Ein als barocker Himmelsatlas gestaltetes Firmament wird zum Bühnenkasten, in dem sich burleske Figuren der Commedia dell'arte tummeln.

"La Calisto" ist ein Meisterwerk der stimmlichen Charakterisierung. Jede Koloratur ist purer Ausdruck von Gefühlen, den das Ensemble auch hervorragend vermittelt. Jupiters Gesang ist geradezu eine akustische Erektion, außer wenn der Prahlhans in Frauenkleidern im Falsett singt (köstlich: Marcello Lippi). Dianas Töne sind der unkontrollierte Ausbruch der Wollust, die in der keuschen Göttin lodert (Marlena Ernman). Aus der betrogenen Matrone Juno (Sonia Theodoridou) schießt glühende Eifersucht heraus. Und wenn sich Lynfea (Gilles Ragon) ihren Phantasien hingibt, so lässt sich deren Derbheit mehr als erahnen. Rein und engelsgleich hingegen ist der Jubel der glücklichen Kallisto (Cinzia Forte), frei von Verzierungen der leidende Klagegesang des melancholischen Hirten Endymion (berührend: Altist Graham Pushee).

Puristen des Originalklangs werden möglicherweise auch Grund zur Klage haben: René Jacobs, der das Concerto Vocale leitet, hat Stücke anderer Komponisten eingefügt, die Instrumentierung aufgefettet und manche Partien transponiert, etwa jene des kleinen Satyrs (Countertenor Dominique Visse). Auf den Geist der Barockoper kommt es an, meint Jacobs - und den atmet diese Produktion wie kaum eine andere. MK

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