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Chaos mit der Trasse

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Nicht nur der Sommer, auch die Diskussion um die Trassenführung der Pyhrnautobahn erhitzt die Gemüter der Bewohner eines Teiles der stei-rlschen Landeshauptstadt. Die Notwendigkeit dieser Autobahn ist unbestritten: sie soll den Fernverkehr vom Nordwesten Europas nach dem Südosten aufnehmen und darüber hinaus die Wirtschaftsräume Graz und Linz unter Einbeziehung des obersteirischen Industriegebietes verbinden. Die Diskussion, die jetzt aufgeflammt ist, geht lediglich um die Trassenführung im Räume von Graz.

Der Grazer Gemeinderat hat kürzlich mit den Stimmen der SPÖ- und der — nicht sehr begeisterten — ÖVP-Abgeordneten beschlossen, die Pyhrnautobahn durch die Grazer Stadtbezirke Gösting, Eggenberg, Wetzelsdorf und Straßgang zu ziehen. Damit wollte sich Graz 100 Millionen Schilling für den Bau einer Schnellstraße ersparen.

Vielen Experten wäre es sinnvoller erschienen, die Trasse hinter den Graz begleitenden Höhenzügen im Westen vorzuziehen. Sie lehnen den Gemeinderatsbeschluß aus hygienischen und finanziellen Gründen ab und weisen darauf hin, daß die Grazer Trasse um etwa 200 Millionen Schilling teurer sei. Die Baukosten für die Trasse außerhalb von Graz werden nämlich mit rund 600 Millionen, die durch Graz mit 800 Millionen Schilling beziffert. Für die Grazer Trasse rechnet man außerdem mit Ablösen in der Gesamtsumme von 80 Millionen Schilling.

Die Befürworter der Trasse durch Graz wiederum meinen, das Projekt solle einen Anreiz zur Ansiedlung neuer großer Betriebe im Raum der steirischen Landeshauptstadt darstellen. Die von Prof. Dipl.-Ing. Doktor Dorfwirth, Vorstand der Lehrkanzel für Straßenbau und Verkehrswesen an der Technischen Hochschule Graz, erstellte Trassenführung, der sich bereits der Bau- und Verkehrsausschuß des Grazer Gemeinderates angeschlossen hatte, stelle die Verwirklichung der Westtangente des Straßennetzes dar. Der Verbindungsknoten mit der Südautobahn in Raach sei bereits in Bau, der Knoten Kärnterstraße in Auftrag gegeben, so daß die Trasse unter allen Umständen diese Punkte berühren muß. Dorfwirth meint in seinem Gutachten, andere Projekte hätten entweder größere technische Schwierigkeiten mit sich gebracht oder die Bevölkerung mehr in Mitleidenschaft gezogen, was von den Gegnern der Grazer Lösung heftig bestritten wird.

Besondere Sorgen machen sich die umsiedlungsbedrohten Bewohner im betroffenen Gebiet. Man befürchtet Schwierigkeiten beim Umsiedeln auf diesem finanziell nicht sehr leistungsfähigen Grazer Stadtbezirk. Das letzte Wort im Trassenstreit um die Pyhrnautobahn hat nun Wien. Es wird jedoch angenommen, daß der sozialistische Bautenminister Moser seine Parteifreunde in Graz nicht im Stich lassen und damit den Dorf-wirth-Plan realisieren wird. Bis allerdings diese Trasse fertiggestellt sein wird, werden zehn bis fünfzehn Jahre vergehen. Dann wird die Grazer Stadtautobahn genau dort stehen, wo man in Bruck an der Mur heute steht: Im Herbst dieses Jahres wird dort die Umfahrungsstraße dem Verkehr übergeben, von der jedermann weiß, daß sie schon jetzt überholt ist. Das gleiche befürchten die Gegner einer Trassenführung der Pyhrnautobahn durch die Stadt Graz und prophezeien für diesen Fall ein Verkehrschaos, gegen das die heutige Grazer Verkehrssituation geradezu noch ein Kinderspiel ist.

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