Beeindruckende Momente der Stille

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Buchtipp von Furche, Stube und Institut für Jugendliteratur

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Wenn Kinder mitten in der Nacht aufwachen, finden sie sich meist rasch im Bett der Eltern wieder. Zu groß die Angst vor der Dunkelheit, den Schatten an der Wand und den Monstern unterm Bett. In vielen Bilderbüchern wird dieser Angst begegnet, werden Kämpfe ausgefochten mit finsteren Bedrohungen, werden Schleier gelüftet und vom Schreckgespenst bleibt nicht mehr als ein Schatten an der Wand. Manchmal stapfen die Kleinen auch in Begleitung freundlich plaudernder Erwachsener durch in der Regel gut ausgeleuchtete, helle Nachtbilder. Oder aber sie entdecken in der Nacht nicht das Unheimliche, sondern eine unerwartete Zeit heimlichen Glücks und Momente für Freiheiten, die so tagsüber vielleicht gar nicht zu haben wären.

Letzteres kann man miterleben und bestaunen in "Hannas Nacht“, dem neuen Bilderbuch der japanischen Ausnahmekünstlerin Komako Sakai.

Großes Abenteuer auf kleinem Raum

"Eines Nachts, als Hanna aufwachte, war es draußen noch ganz dunkel und still.“ In den Bildern verfolgen wir ein Kind, das ruhig durch die Nacht geht, freilich "nur“ im geschützten häuslichen Bereich. Hanna nutzt den Freiraum, der sich hier für sie auftut, unbeobachtet von Eltern und Geschwistern. Sie geht aufs Klo, nascht heimlich Kirschen aus dem Kühlschrank, spielt mit der Puppe der Schwester, borgt sich deren Spieluhr und Buntstifte und kuschelt sich - draußen wird es inzwischen hell - wieder in ihr Bett und schläft zufrieden ein.

So wenig und doch so viel wird hier erzählt, in knappen Worten, die benennen, was wir ohnedies sehen, und verschweigen, was sich beim Betrachten der Bilder gemeinsam mit der Heldin rasch einstellt: Kontemplation und Konzentration auf Gedanken und Gefühle. In Bildern, die das Dunkle selbst nicht scheuen, gehalten in Blau, Grau und Schwarz, und mit dickem Pinsel in Schattierungen von Weiß bis Schwarz umrahmt, was ihnen Halt gibt und Schutz und Geborgenheit vermittelt.

Ein großes Abenteuer auf kleinem Raum, im Inneren des Hauses. Nur zweimal wird der Blick ins Außen geweitet. Einmal, wenn Hanna ein Tier vor dem Fenster entdeckt. Ein beeindruckender Moment der Stille, beinahe eine Epiphanie: Schemenartig sehen wir Hanna hinter dem Kinderzimmervorhang und eine Taube auf dem Baum im Garten. Ein zweites Mal genau in der Mitte des Buches, wo denn auch der ohnedies knapp erzählende Text aus- und Schweigen einsetzt. Allein, aber nicht einsam, begleitet von ihrem Kätzchen Chiro, betrachtet Hanna den vollen Mond vorm Fenster. Traumhaft schön, und doch kein Traum. Ein Bilderbuch, das trotz zurückgenommener Farben zu strahlen vermag.

Hannas Nacht

Von Komako Sakai, übersetzt von Ursula Gräfe, Moritz Verlag 2013.

32 Seiten, gebunden, e 13,40

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