... Bobo-Eltern sein DAGEGEN SEHR

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"Was hat uns bloß so ruiniert": Marie Kreutzer lässt in ihrem dritten Spielfilm drei Bobo-Paare Eltern werden - und daran mitunter schier verzweifeln. Eine Köstlichkeit aus dem wahren Leben.

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"Was hat uns bloß so ruiniert": Marie Kreutzer lässt in ihrem dritten Spielfilm drei Bobo-Paare Eltern werden - und daran mitunter schier verzweifeln. Eine Köstlichkeit aus dem wahren Leben.

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Die österreichische Filmemacherin Marie Kreutzer hat - spielfilmmäßig - ja schon zweimal bewiesen, wie famos sie aktuelles Beziehungswirrwar auf die Leinwand bringen kann. Waren es in "Die Vaterlosen" (2011) die Wirrungen einer Kommune, die sich da als zu zerschlagender Gordischer Knoten entpuppten, so zeigte sie in der Romanverfilmung "Gruber geht" (2015) die Menschwerdung eines krebskranken Kotzbrockens (Manuel Rubey).

Manuel Rubey spielt auch einen der Protagonisten in Marie Kreutzers neuem Opus "Was hat uns bloß so ruiniert", das sich, was die genaue Beobachtung und filmische Befindlichkeitsumsetzung betrifft, nahtlos an die beiden Filmvorgänger anschließt: Es ist nicht nur das pure Vergnügen, dem Beziehungssextett bei der Verknotung der einzelnen Stränge zwischen Mann und Frau zuzuschauen; sondern einmal mehr besticht die Präzision, mit der Kreutzer das Geflecht von Zu-, Mit- und Auseinander beleuchtet, als ob sie eine weise Beobachterin und nicht selber mittendrin in solcher Gefühlslage wäre.

Zumindest im Interview hat sie zugestanden, dass in den Charakteren, die sie in "Was hat uns bloß so ruiniert" entwickelt, auch jeweils ein Stück von ihr (und ihrer Lebenserfahrung) steckt. Wie gesagt: Das ist mehr, als man bei einer Filmemacherin ihres Alters vermuten würde.

Drei nicht mehr ganz junge Bobo-Paare, aber doch klar in gebärfähigem Alter, werden mehr oder weniger gleichzeitig schwanger. Das alles passiert entweder einfach oder ist geplant, um sich am Ende doch als Patchwork herauszustellen, in der jedenfalls Kinder heute eher leben als in traditionell-stabilen Elternbeziehungen.

Drei Weisen des Kinderkriegens

Stella und Markus (Vicky Krieps und Marcel Mohab) sind die demokratischen Typen, die auch das Kinderkriegen voll partnerschaftlich lösen wollen. Das scheint bei Ines (Pia Hierzegger) anders zu sein, die ungewollt schwanger wird und die, wie Partner Chris (Manuel Rubey) gallig anmerkt, "Impfgegnerin aus Schleißigkeit" ist. Dafür hat es Chris nicht so mit der Monogamie, zumal ja etwa Stella mitunter (Seelen-)Trost nötig hat - Partnerschaftlichkeit mit Markus hin oder her. Und da sind auch noch Mignon (Pheline Roggan) und Luis (Andreas Kiendl): Sie mutiert zur Helikopter-Mama und er hat nichts mitzureden - etwa dabei, dass Klein-Aimèe auf Windeln verzichten wird, weil es so doch viel natürlicher ist.

Auch die beiden anderen Sprösslinge, Lola bzw. Elvis, müssen den elterlichen Wahnsinn überleben, was aber natürlich nicht friktionsfrei vonstatten geht - und nicht ohne Krankenhausaufenthalt zu bewerkstelligen ist. Dann jedenfalls, wenn Aimèe sich an Elvis (auch das ein Mädchen!) im Wortsinn die Zähne ausbeißt, auf dass ein plastischer Chirurg seines Amtes walten muss. Denn Chris hat seine und Ines' Tochter bei Mignon abgegeben, auf dass er mit der frustrierten Stella ein wenig kuscheln (und noch mehr) kann.

Situationskomik und präzise Darstellung

Das Leben im 21. Jahrhundert ist schwer, auch wenn die Protagonist(inn)en wachen Sinnes und im Besitz der neuesten Erkenntnisse in Sachen Kindererziehung sind. Mag sein, dass das anderswo weniger kompliziert und chaotisch abläuft, aber die Katastrophenstränge, die Marie Kreutzer da gar kunst- und lustvoll zu "Was hat uns bloß so ruiniert" zusammengeflochten hat, triefen von Situationskomik wie von präziser Darstellung der jeweiligen Gefühlslagen.

Diese Kunst macht der österreichischen Spielfilmregisseurin zurzeit kaum eine(r) im Land so einfach nach. Das Setting hält auch einen Film im Film bereit, denn Stella, die Filmakademieabsolventin, dreht einen Film, in dem die fünf anderen und die lieben Kleinen ihre Weisheiten zum Besten geben. Daran und am Titel, der einen Song der deutschen Band "Die Sterne" aus 1996 referiert, sieht man, wie - tatsächlich oder fiktiv - autobiografisch dieses Filmwerk geraten ist. Punktgenau und köstlich.

Was hat uns bloß so ruiniert

A 2016. Regie Marie Kreutzer. Mit Manuel Rubey, Pia Hierzegger, Andreas Kiendl, Vicky Krieps. Thimfilm. 100 Min.

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