Das letzte Antlitz Österreichs

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Das Wien Museum Karlsplatz widmet dem Jahrhundertschauspieler Helmut Qualtinger eine Ausstellung.

Ein beleibter Herr im schwarzen Anzug sitzt ruhig am Tisch und liest vor. Ein kaum merkliches Heben der Augenbrauen, ein kleines Zucken des Mundwinkels, und man sieht einmal einen forschen Jungspund von preußischem Leutnant, eine zynische, naiv-begeisterte Frontberichterstatterin oder einen schmierig-schäbigen Kriegsgewinnler. Wenn man die Augen schließt, wird die Illusion perfekt; alle diese Menschen sind wirklich da. Und noch viele mehr.

Helmut Qualtingers größte Stärke war die Verkörperung der unterschiedlichsten Charaktere. Zur Meisterschaft brachte er es in dieser Kunst mit Karl Kraus' "Die Letzten Tagen der Menschheit", wo er neben den eingangs erwähnten Figuren noch unzähligen mehr ihr unverwechselbares Leben einhauchte.

Trotzdem wurde der Jahrhundertschauspieler oft auf seine - zwar wohl berühmteste, aber eben doch nicht so allein "typische" - Rolle, den Herrn Karl, reduziert. Das störte und verstörte den Kabarettisten und Schauspieler schon damals, und wird auch dem "Phänomen Qualtinger" in keiner Weise gerecht.

Er hat seinen Landsleuten jahrzehntelang einen Spiegel vorgehalten, der nichts beschönigt, aber auch nicht allzusehr verzerrt. Das Groteske ist eben oft nur Zitat der Wirklichkeit, und Qualtinger brachte die biedere Nachkriegszeit und ihre Figuren in vielen Facetten auf die Bühne und vor die Kamera - und machte sich damit erstaunlicherweise nicht einmal unbeliebt.

"Helmut Qualtinger war bisher der letzte Österreicher, der Österreich - dem Land, der Nation, dem Volk - ein Gesicht hatte geben können." So Franz Schuh im Begleitband zur Ausstellung "Quasi ein Genie. Helmut Qualtinger (1928-1986)", die derzeit im Wien Museum am Karlsplatz zu sehen ist. Bildmaterial, das dieses letzte Antlitz Österreichs reichlich dokumentiert, Zeitungsausschnitte und Gebrauchsgegenstände, die den Betrachter auf das Umfeld Qualtingers einstimmen, fügen sich zu einer gelungenen Schau.

Bis 6. Jänner 2004

tägl. außer Mo: 9-18 Uhr

Buchtipps:

Quasi ein Genie

Begleitbuch zur Ausstellung im Wien Museum, Herausgegeben von Arnold Klaffenböck, Wolfgang Kos u.a.

Deuticke Verlag, Wien/Frankfurt 2003

247 Seiten, geb., Euro 29,90

Helmut Qualtinger

Die Arbeiten für Film und Fernsehen

Herausgegeben von Günter Krenn

Filmarchiv Austria, Wien 2003

300 Seiten, geb, Euro 24,90

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