Das Wienerlied in all seinen Facetten

Werbung
Werbung
Werbung

Das breite Spektrum des Wienerliedes präsentiert seit zehn Jahren das Festival „wean hean“. Zu Gehör gebracht werden neben traditioneller Schrammelmusik auch moderne Wienerlieder, bei denen sich sachte Jazzharmonien eingeschlichen haben. Einmal mehr erweist sich jedenfalls: Musikalisch braucht sich das Wienerlied nicht zu verstecken.

Das Wienerlied ist eine Achterbahnfahrt zwischen großer Kunst und himmelschreiendem Schwachsinn. Die schräge Gruppe Kollegium Kalksburg blödelt herum, was das Zeug hält – und verwandelt eine ohnehin schon berührende Danzer-Nummer in einen Verzweiflungsschrei aus tiefster Seele. Die beiden Heurigenmusiker Walter Hoysa und Kurt Schaffer erzählen die ältesten, schlechtesten derben Witze – aber wenn sie dann auf Kontragitarre und Ziehharmonika musizieren und zweistimmig von Kindheitserinnerungen, von einem kleinen Häuserl im Liebhartstal und vom alten Mutterl singen, dann bleibt kein Auge tränenleer.

Seit zehn Jahren präsentiert das Festival „wean wean“ das Wienerlied in all seinen Facetten – ein weites Feld, das Schrammelmusik und Klänge von Lanner & Strauß ebenso umfasst wie moderne Wienerlieder, bei denen sich – ganz sachte –Jazzharmonien eingeschlichen haben. Heuer spielten bei „wean hean“ neben den genannten Größen auch die virtuosen Neuen Wiener Concert Schrammeln oder eine junge Formation namens „Aufstrich“, die nicht nur Volksmusik aus Österreich, sondern auch aus Südamerika und Osteuropa im Repertoire hat. Veranstalter des noch bis 22. Oktober laufenden Festivals ist das Wiener Volksliedwerk, eine Einrichtung, die sich die Sammlung, Forschung und Vermittlung von Volksmusik in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen auf die Fahnen geschrieben hat.

Wie alle echte Volksmusik hierzulande wird ja auch das Wienerlied mit sogenannter volkstümlicher Musik (sprich: Hansi Hinterseer und Konsorten) in einen Topf geworfen, belächelt, verachtet, mit einer reaktionären Geisteshaltung in Verbindung gebracht (letzteres manchmal leider auch zu Recht, wie das Quintett Wiener Facetten bewies). „wean hean“ jedenfalls holt das traditionelle Wienerlied aus seiner gewohnten Umgebung und präsentiert es einem interessierten Publikum; darüber hinaus bietet das Festival auch jenen, die das Wienerlied neu adaptieren, eine Bühne. Musikalisch braucht sich das Wienerlied nicht zu verstecken, wie die Neuen Wiener Concert Schrammeln und auch die Wiener Facetten deutlich vor Augen führten. Und in puncto Emotionalität und ursprünglicher Kraft reicht das Wienerlied durchaus an berühmtere Volksmusik wie etwa den amerikanischen Blues heran.

Atmosphärische Defizite

Dem Gefühlsanteil des Wienerliedes jedoch trägt „wean hean“ leider zu wenig Rechnung. Die Auswahl der Spielorte – lauter große, hell erleuchtete Säle – wirkt sich katastrophal auf die Stimmung aus. Dabei wäre es so einfach, Atmosphäre zu schaffen: mit ein paar Scheinwerfern die Bühne beleuchten, im Zuschauerraum das Licht ausschalten; so wie im Theater, in der Oper oder bei Jazz-, Rock- oder Popkonzerten. Die Wirkung auf das Publikum ist unter diesen Umständen ungleich größer.So gesehen waren die drei Veranstaltungen der Jubiläumsausgabe „wean hean“, die vom FURCHE-Kritiker besucht wurden, bloße Appetitanreger. Bessere Atmosphäre gibt es sicher im Konzert-Café Schmid Hansl, wo noch bis 31. Oktober die Wienerlied-Konzertreihe „Wien im Rosenstolz“ läuft. In schummriger Wiener-Kaffeehaus-Atmosphäre treten hier noch Wienerlied-Größen wie Karl Hodina, Kollegium Kalksburg oder Agnes Palmisano auf. Wie fast bei jeder Art von Musik gilt: je kleiner und intimer der Rahmen, desto besser. Das einzigartige Erlebnis freilich, wenn sich Hoysa und Schaffer zu einem an den Heurigentisch setzen und loslegen, lässt sich im Rahmen eines Festivals nicht realisieren.

Die junge Dudlerin Agnes Palmisano tritt übrigens auch im Rahmen von „wean hean“ auf. Am 19. Oktober bestreitet sie mit anderen Dudlern einen Abend in Erinnerung an die im heurigen Juni verstorbene Trude Mally. Die letzte große Meisterin des Dudelns, der Wiener Art des Jodelns, war natürlich in den vergangenen zehn Jahren regelmäßiger Gast beim Wienerlied-Festival.

www.weanhean.at

www.rosenstolz.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung