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Pathos der Trunkenheit

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In einem der bekanntesten Wie-neflieder kehrt ein Mann an den Ort seiner Kindheit zurück und muß feststellen, daß nichts mehr so ist, wje damals. Da findet er den „Herrgott aus Stein", so der Titel des Liedes, der einst sein einziger Freund gewesen ist. Liebevoll nimmt er die zerbrochene Figur mit nach Hause, wo sie ihm wieder als Gefährte zur Seite steht. Ähnliches versuchte das Festival „Herz Ton Wien", nämlich das angeblich im Sterben liegende Wienerlied neu zu beleben. Eines ist auf jeden Fall gelungen: die Volksmusik Wiens einem größeren Publikum näherzubringen, als es der übliche Rahmen des Heurigen vermag. Dabei war der Veranstaltungsort durchaus ein traditioneller: das Schutzhaus ,i Zukunft auf der Schmelz" inmitten von Schrebergärten.

Altmeistern wie Trade Mally und Pepi Matauschek gelang es am besten, die Stimmung des Wienerliedes zu transportieren. Die „Philharmonia-Schrammeln", fünf Musiker aus den Reihen der Wiener Philharmoniker, erhoben das Wienerlied zur hohen Kunst.

Die Essenz des Wienerliedes - sein Pathos, seine Sentimentalität, seine Schwermut - isfcvon einer Bühne aus schwer zu vermitteln. Wahrscheinlich bedarf Schrammelmusik der Intimität, die in weinseliger Atmosphäre entsteht. Wenn zweistimmiger Gesang die Augen feucht werden läßt, dann lebt das Wienerlied.

In seiner Lesung beschrieb der Schriftsteller Herwig Seeböck das entsprechende Umfeld: Mit seinem fiktiven „Polizeiprotokoll", in dem jeder der Handelnden unter schwerem Alkoholeinfluß steht, erheiterte Seeböck nicht nur die angereisten Kunstinteressierten, sondern auch die servierenden Kellner.

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