Der aggressive Pazifist Kraus

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Franz Schuh ist kein sanfter Zeitgenosse, nur erkennt man das nicht auf den ersten Blick. Er spricht gewandt, bedient sich einer vertrackt hintersinnigen Sprache, in der Abgründe verborgen sind. Sein Zugang zur Literatur von anderen zeichnet sich durch genaue Kenntnis des Textes und dessen Hintergründe aus, dazu kommt ein individueller Ton, der etwas Unerwartetes, Überraschendes aus den literarischen Vorgaben zieht.

Karl Kraus ist kein sanfter Literat, und das erkennt man auf den ersten Blick. Für Franz Schuh ist er ein Satiriker der aggressiven Art, die Sprachattacke ist seine persönliche Art der Kriegsführung. Eine Schlacht gegen ihn ist für niemanden zu gewinnen, selbst wenn er im Besitz der schlüssigeren Argumente wäre. Das Drama "Die letzten Tage der Menschheit" ist sein persönlicher Krieg der Worte gegen die Kriegsjubler, Duckmäuser und Sensationsgeier. Die Satire wird bei ihm zum Ernstfall eines Kampfes, der seine Gegner der Lächerlichkeit preisgibt. Versöhnung findet anderswo statt, bei Kraus geht es um den Angriff der radikalen Vernunft gegen die Maulhelden der Selbstzufriedenheit.

Maria Hofstätter ist keine sanfte Zeitgenossin, das durfte man ahnen. Als Schauspielerin kennt sie keine halben Sachen. Sie spielt nicht eine Rolle, sie ist diese. Und sie ist eine großartige Verwandlungskünstlerin. So fies, so unverfroren, so kleingeistig und verbohrt kann ein Charakter gar nicht sein, dass sich Hofstätter diesen nicht zur eigenen Sache machen würde. Das bringt sie erschreckend glaubwürdig zustande, und Finsterlinge der Geschichte bekommen eine Stimme der Kläglichkeit.

Hofstätter und Schuh bringen Szenen aus dem Mammutdrama von Karl Kraus, und es wird einem mulmig ums Herz. Gut, dass sie nie versuchen, Kraus kumpelhaft auf die Schulter zu klopfen, um ihn als einen von uns, als Gesinnungsgenossen zu feiern. Drama und Verfasser bleiben merkwürdig fremd, was notwendig ist, um nicht in die Falle zu purzeln, Geschehnisse von vor hundert Jahren wie heutige erlebbar zu machen. Dagegen sträubt sich der widerborstige Ton des Dramas.

Bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden erlebte die Aufführung am Sonntag ihre Premiere, jetzt sollte es damit weitergehen in Wien, Salzburg oder anderswo.

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