Die Gespenster aus der Vergangenheit holen sie ein

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Premiere am Theater in der Josefstadt: Janusz Kica inszeniert Henrik Ibsens Stück „Gespenster“ als Konflikt zwischen Helene Alving und dem asketischen Pastor Manders. Dabei setzt der polnische Regisseur nicht nur auf die Psychologie der Figuren, sondern vor allem auf die beiden als Träger von Ideen und Ideologien.

Andrea Jonasson ist ein Star und das zu Recht. Auch wenn heute längst nicht mehr in Rollenfächern gedacht wird, ist klar: Andrea Jonasson ist eine echte Tragödin. Bis in den letzten Moment, wenn sie als Ibsens Helene Alving ihrem über alles geliebten Sohn Osvald die tödliche Dosis Morphium gibt, bewahrt sie Haltung.

Janusz Kica hat im Theater in der Josefstadt die „Gespenster“ als Konflikt zwischen Helene Alving und dem Pastor Manders inszeniert – und eine gute Entscheidung getroffen.

Joachim Bißmeier ist als asketischer Protestant Manders die perfekte Verkörperung der Selbstdisziplin im Sinne einer göttlichen Ordnung (sprich: Natur). Bißmeier, der knochige Jünger eines lustfeindlichen Puritanismus, ringt um seine Ideale, welchen Alving/Jonasson beharrlich die Prinzipien der Aufklärung gegenüberstellt.

Auseinandersetzung mit der Welt

Mondän und standhaft – obwohl selbst noch in einer „alten Welt“ verhaftet – argumentiert sie für die Bedürfnisse der neuen Generation, die eine andere Auseinandersetzung mit der Welt sucht (sprich: Kunst). Kica setzt nicht nur auf die Psychologie der Figuren, sondern vor allem auf die beiden als Träger von Ideen und Ideologien. Doch die Gespenster der Vergangenheit holen sie und ihren aus Paris heimgekehrten Sohn Osvald (Florian Teichtmeister) ein. Kaspar Zwimpfer hat in die Mitte der beinahe nackten Drehbühne ein Gewächshaus gestellt, dort dampfen modrige Pflanzen, Gewächse der Dunkelheit im düsteren Fjord, beharrliche Sukkulenten, die als hässliche Metapher für die Sünden der Vergangenheit den Blick buchstäblich vernebeln. Kicas Inszenierung beginnt tatsächlich im dichten Theaternebel, der auch die Zuschauer mit in eine undurchsichtige Geschichte voller Lügen zieht.

Für die Entlarvung des Knäuels dieses nicht zufällig mit „Ödipus“ verglichenen Dramas nimmt sich Kica viel Zeit, ab dem zweiten Akt zuviel. Er verliert sich in den langen Dialog-Szenen und lässt Teichtmeister als syphilitischen Osvald Klischees des gebrochenen Künstlers zelebrieren. Der sprüht die Erbsünde als Graffiti an die Wände des Treibhauses, während seine Halbschwester Regine (überzeugend: Gerti Drassl) schon längst das Weite gesucht hat. Im grünen Kleid der Hoffnung flieht und tanzt sie aus diesem funktionierenden System von Vorurteilen und Manipulationen in ihre persönliche MP3-Musikwelt und schafft damit dezent jene Aktualität, die Ibsens „Gespenster“ bis heute auf ungemütliche Weise interessant machen.

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