"Ich glaube fast, wir alle sind Gespenster“

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Eine höchst respektable Aufführung von Henrik Ibsens "Gespenstern“ in der Regie von Maya Fanke zeigt zurzeit das Schauspielhaus Salzburg. Sie gerät zu einer Familienaufstellung. Die Dramaturgie hat in dem ohne Pause gespielten, knapp zwei Stunden dauernden Drama keinen Durchhänger zugelassen, dazu kommen starke schauspielerische Leistungen.

Das Bild des Mannes - Alving - über die Jahre hochgehalten und für seine Leistungen berühmt, wird post mortem demontiert und auf den Säufer und Frauenhelden heruntergebrochen. Seine Frau Helene, in der öffentlichen Meinung als eine verurteilt, die ihr Kind ins Heim abgeschoben hat, ersteht als eine starke Persönlichkeit, die die Firma des Mannes ausgebaut und stark gemacht hat, und den Sohn, als er zu fragen begann, deswegen weggegeben hat, um vor ihm die Schandtaten des Vaters zu verbergen.

Dieser Sohn Osvald ist Künstler geworden, kehrt nach Jahren aus Paris zurück, krank, und vermisst im nebelig-trüben nordischen Zuhause die Lebensfreude, die ihm die südlichere Sonne beschert hat; er verliebt sich in Regine Engstrand, die im Hause Alving arbeitet. Der Tischler Engstrand, ein Säufer, Aufschneider und Lügner, will seine Tochter in ein "Heim für Seeleute“, ein Bordell, in die Stadt mitnehmen; sie hat aber jetzt eine Stelle in dem Kinderheim, das Helene zur Erinnerung an ihren mit der Gloriole umgebenen Gatten hatte bauen lassen.

Gespenstische Bühne

Über und in dem sozialen Gewirr bewegt sich Pastor Manders, ein fundamentalistischer Heuchler, pflichtbesessen, ständig auf seine Unschuld bedacht, bis er aus Unachtsamkeit das Kinderheim abfackelt, im Charakter dem Tischler nicht unähnlich.

"Ich glaube fast“, sagte Helene, "wir alle sind Gespenster.“ Gespenstisches hat auch Isabel Graf mit ihrer Bühne erzeugt: einen Raum mit milchig-transparenten Wänden, die belauernde, unheimliche Gänge dem Zuschauer sichtbar machen und mit den Verstrebungen so etwas wie einen Käfig imaginieren. Albert Friedl zeigt als Osvald starkes Talent, Antony Connor als Engstrand kann hier sein schauspielerisches Können einmal ausführlich unter Beweis stellen, Daniela Enzi als zunächst matronenhafte Helene Alving besitzt die Glut, die diese Frau im Beruf und auch im sexuellen Leben antreibt. Olaf Salzer als Manders pendelt zwischen dem fast schon verknöcherten Pastor samt tartuffehaften Zügen, der sich immer wieder auf seine Pflichten beruft, und dem Mann, der seinem Herzen nicht nachgibt.

Jelineks Sprache der Ausweglosigkeit

"Nicht nur das, was wir von Vater und Mutter geerbt haben, geht in uns um. Es sind alle erdenklichen, toten Ansichten und allerhand alter toter Glaube und so weiter“, sagte Helene Alving. Elfriede Jelinek lebe von diesem "und so weiter“ Ibsens, notiert Peter Kümmel; ihr Werk ist ein "Hallraum der toten Stimmen“: Leider nur sehr kurz hat das Schauspielhaus die österreichische Erstaufführung von Jelineks "Kein Licht“ gespielt. Es war eine typische Jelinek in der Regie von Thomas Oliver Niehaus, wobei aus dem Quartett mit Ulrike Arp, Harald Fröhlich und Christine Warneke Sinikka Schubert mit dem geradezu halsbrecherischen Schlussmonolog herausragte. Aus einem Sprachsalat kristallisiert die Moralität Jelineks aus, die nach der Katastrophe von Fukushima das Thema Licht und Energie hastig sprachlos zur Sprache der Ausweglosigkeit gebracht hat.

Weitere Termine

7., 8., 11., 12., 14., 16., 17. Dezember

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