Die Inquisition zeigt ihre Zähne

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Verdis "Don Carlo": Herbert Wernicke kommt an die Aufführungen der Karajan-Ära nicht heran.

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Verdis "Don Carlo": Herbert Wernicke kommt an die Aufführungen der Karajan-Ära nicht heran.

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Für Diskussionsstoff, Aufregungen und Buhkonzerte ist der deutsche Regisseur Herbert Wernicke allemal gut. Umso erstaunter war Salzburgs Festspielpublikum, daß Wernicke diesmal - bei seiner vierten Inszenierung für das Salzburger Große Festspielhaus - auf Zündstoff jeder Art verzichtete: In seiner Produktion von Giuseppe Verdis "Don Carlo" meidet er - etwa im Gegensatz zu seinem Salzburger "Fidelio" oder "Rosenkavalier" oder seinen Wiener "Vespri siciliania" - alle Mutwilligkeiten und Provokationen. Aber vielleicht wollte er damit auch nur Lorin Maazel am Pult entgegenkommen.

Wernickes Bühnenbild gliedert die Riesenbühne klar, schafft interessante Perspektiven und den Eindruck eines Labyrinths, in dem sich das Schicksal der Gestalten Verdis in ihrer fatalen Isolation vollzieht. Der Palast in strahlendem Weiß besteht aus verschieb- und kippbaren Wänden und Pfeilern, die zu immer neuen Raumgruppierungen zurechtgerückt werden. Eine erstarrte Welt steifen Zeremoniells, in der sich Verdis Figuren als königliche Puppen in einem großen Ritual bewegen. Und überall durchstoßen goldene Spitzkegel, die an die Zähne einer Foltermaschine der Inquisition erinnern, die Säle und Galerien.

Leider versagt das Raumprinzip in der Autodafe-Szene, wo Verdi das gewaltige Spektakel drängender Massen, der Königsprozession und der Ketzerverbrennung zur Vision mit himmlischen Stimmen steigert ... Da scheitert Wernickes Phantasie. Da verkommt der Aufzug zur ärmlichen Osterprozession in einem langweiligen szenischen Arrangement.

Lorin Maazel am Pult der Wiener Philharmoniker läßt einen immer wieder Leidenschaft und schimmernde Klangpracht vermissen. Er überdehnt Verdis Tempostruktur, nimmt dadurch der Partitur viel von ihrem Glanz und schafft den Sängern Probleme. Immerhin: die junge Russin Marina Mescheriakova berührt als noble Elisabeth mit warmem Timbre und nobler Italianita, Carlos Alvarez als mitreißender junger Hitzkopf Marquis Posa und Dolora Zajick gefällt als leidenschaftliche Intrigantin Eboli. Rene Papes König Philipp fehlt die majestätische Würde dieses "Denkmals seiner selbst"; Sergej Larin ist ein allzu biederer Don Carlo ohne Enthusiasmus und die Bereitschaft zum Liebestraum und Liebestod. Solide: Paul Plishkas Großinquisitor und Robert Lloyds Karl V. Mit den Salzburger "Don Carlo"-Aufführungen der Ära Karajan kann sich diese Produktion nicht messen.

Bis 30. August

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