Die Inszenierung macht den Unterschied

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Drei klassische Dramen waren in der nun ausklingenden Theatersaison in Salzburg zu sehen: "Der zerbrochne Krug","Leonce und Lena" und "Wilhelm Tell". Außerdem wurde mit "Stormy Interlude" eine Rarität auf die Bühne gebracht. Zeit für einen kritischen Vergleich.

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Drei klassische Dramen waren in der nun ausklingenden Theatersaison in Salzburg zu sehen: "Der zerbrochne Krug","Leonce und Lena" und "Wilhelm Tell". Außerdem wurde mit "Stormy Interlude" eine Rarität auf die Bühne gebracht. Zeit für einen kritischen Vergleich.

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Die letzten Salzburger Schauspiel-Inszenierungen am Landestheater und am Schauspielhaus verdienen einen nicht unkritischen Vergleich.

Kleists Lustspiel "Der zerbrochne Krug" scheint eher eine Tragödie, zumindest für den Dorfrichter Adam, der gewohnt ist, auf seine Weise "Recht" zu sprechen, das Dorf zu kujonieren und seinen amourösen Abenteuern nachzugehen. Das Schauspielhaus hat sich dieses Stücks angenommen, mit Verve, gekonnt auf 85 Minuten komprimiert, den Text Kleists in seiner Ursprünglichkeit belassend und ohne die Gewichte zu verschieben. Die Regisseurin Esther Muschol konnte dabei auf die eingesessene und bewährte Crew und auf junge Kräfte des Hauses zurückgreifen und ein absolut verträgliches Stück Klassik ohne Gähn-Pause flott durchspielen.

Gute Besetzung im Schauspielhaus

Da ist der Lügenbold Adam, der zuletzt flieht, mit Marcus Marotte gut besetzt; seine "Seitenblicke" und Drohgebärden zeigen die sorgfältige Regiearbeit. Da ist die Frau Marthe der Susanne Wende, eine resolute, wortgewaltige und weitschweifige Verteidigerin ihres zerbrochenen Krugs. Da ist die Eve der Kristina Kahlert, ein Mädchen, das es mit seinem Herzallerliebsten so gut meint, dass die ganze Malaise um den kaputten Topf um einen beachtlichen Palawatsch angereichert wird. Da ist ihr Liebhaber Ruprecht, Matthias Hinz, der sein Evchen der übelsten Machenschaften verdächtigt. Und schließlich ist da die alles lösende Erscheinung, die den Schreiber Licht, Ivan Divkovic, zum neuen Dorfrichter ernennt, den alten aber zurückholen lässt: wie immer zuverlässig und überzeugend, Olaf Salzer, als Gerichtsrat Walter.

Bei Georg Büchners "Leonce und Lena" ist die Versuchung groß, dem "romantisch-satirischen Märchendrama" die Gewichte etwa von "Dantons Tod" oder "Woyzeck" anzuhängen. Die Schatten der Ereignisse um die Französische Revolution 1794 liegen zudem über "Leonce und Lena". Es geht Büchner um die Flucht aus der Jakobiner-Ideologie und aus dem lasterhaften Aristokratismus.

Der gelangweilte Prinz Leonce vom Reich Popo und die nicht minder fadisierte Prinzessin vom Reich Pipi: Sie sollen zusammenfinden, wollen aber nicht. Der Ausweg heißt deshalb Flucht. Doch diese Flucht bringt das Paar einander näher. Wenn dieses Fluchtverhalten bei "Leonce und Lena" Thema sein sollte, so ist das in der Inszenierung von Caroline Ghanipour am Landestheater Salzburg nicht oder kaum herausgekommen.

Dass es nicht ganz so schlimm kommt, ist Sascha Oskar Weis als Valerio, dem Gefährten Leonce', zu danken. Die Damen Julienne Pfeil (Lena), Nikola Rudle (Gouvernante) und Elisa Agbaglah (Rosetta) sorgen für eine gewisse Frische, Clemens Ansorg als Leonce schließlich hat es in diesem Regiekonzept eher schwer, den grantig Gelangweilten hervorzukehren.

Im Gegensatz zum "Zerbrochnen Krug", steht "Wilhelm Tell", mit "nach Schiller" etikettiert, am Landestheater. Die Bühnenfassung von Agnessa Nefjodov, die auch Regie führt, lässt vermuten, dass ihr das Schiller'sche Textwerk wohl zu altväterlich und gravitätisch für eine eigene Arbeit daher kommt (doch auch das lässt sich inszenieren ohne zu langweilen) und sie mit dieser Fassung ihre Affinität eher zur aktuell philosophisch-politischen Situation ausbreiten wollte.

Kurzoper in zwei Varianten

Entstanden ist ein Feature, von dem man leider sagen muss, das Ganze ist ein neuer Geßler-Hut, dem das Publikum seine Reverenz zu leisten hat. Da wurde nicht der Apfel, sondern der Bub getroffen. Man kann glauben (oder auch nicht), dass derartiges Bearbeiten eines klassischen Bühnenwerks dem Geschmack von heute entgegenkommt und dem jungen Publikum eher den Zugang zur Klassik eröffnet.

Wilhelm Tell war Gregor Weisgerber, Tell-Legende und Geßler Christoph Wieschke, Stauffacher Gero Nievelstein, dem Attinghausen von Marcus Bluhm waren auch noch Parricida, Mönch und Walther Fürst zugedacht.

Eine Rarität hat die Musikdirektorin Mirga Graz inyté-Tyla auf die Bühne des Landestheaters gebracht: Max Brands "Stormy Interlude". Es geht um das eintönige Leben von Mona, das in dieser szenischen Erstaufführung von Wiederholungen und Spiegelungen lebt. Amélie Niermeyer hat die Kurzoper mit Wiederholungen in zwei Varianten gezeigt. Hannah Bradbury als Mona und Frances Pappas als Mrs. Lambert sowie Jason Cox als The Stranger tragen das Stück, das mit "Brokeback Mountain" den Spielplan mit der musikalischen Moderne erfolgreich bereicherte.

Der zerbrochne Krug

Schauspielhaus Salzburg, 13., 14.6.

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