"Mein Zimmer besteht aus beinahe gar nichts. Wozu viel Aufhebens um eine Wohnung machen, in der ich ohnehin nur so vor mich hindämmern werde, in den Gedanken anderer. Wer, wie Professor Icks gemeint hat, auserwählt ist, am Institut für Gedankenkunde und Verstehen in die Lehre zu gehen, wer spazieren darf in den bunten und schillernden Himmelreichen aus Papier, der braucht ja nicht viel." Andrea Winklers Ich-Erzählerin Lina Lorbeer wird sich bald wundern, was sie an diesem Institut alles lernen wird, zum Beispiel dass es wichtig ist zu wissen, was man werden will: König, Hofnarr -oder das Volk. Das erinnert doch an den Literaturbetrieb, den Andrea Winkler in ihrem Einbildungsroman "König, Hofnarr und Volk"(Zsolnay 2013) wunderbar aufs Korn nimmt (siehe Seite 6).
Mit der Beschreibung des Zimmers von Lina Lorbeer haben die Arbeitszimmer der österreichischen Schriftstellerin Marianne Fritz nicht viel zu tun, auch mit dem Literaturbetrieb hatte die Autorin nichts am Hut. An der Reduktion ihrer Werke wollte Fritz ebenso wenig beteiligt sein wie an der Vermarktung ihrer Person. Sie arbeitete sich an nichts Geringerem als der Frage ab: "Wie vermag jene einzigartige Menschheitskatastrophe des 20. Jahrhunderts von einem einzelnen menschlichen Gehirn erfasst werden?"(Klaus Kastberger, siehe Seite 10-13). Was ihrem komplexen literarischen Werk an Recherchearbeit vorausging, wird in ihrem Archiv in Ansätzen erahnbar. Selbst die Fotografien lassen staunen, ob der Mengen an gesammelten Quellen, aber auch der akribischen Ordnung und Beschlagwortung derselben. Selten machen Ordner und ihre Aufschriften so neugierig.
Lesen und Leben
Der Ort des Schreibens, die Zusammenarbeit von Lektorin und Autor, die Arbeit eines Herausgebers, die Schwierigkeiten des Übersetzens, die Wirtschaftskrise in der Literatur, die Auseinandersetzung mit dem Tod, Literatur von Immigranten, die Kunst des Bilderbuchs, Literatur aus Afrika, Väter in der Literatur ...: Es sind die Zusammenhänge von Lesen und Leben, von Autoren und Gesellschaft, von Produktion, Betrieb und Text, von Literatur, Wirtschaft und Politik, die Monat für Monat die Themenschwerpunkte dieser Literaturbeilage der Wochenzeitung DIE FURCHE prägen, seit das "booklet" im Oktober 2008 zum ersten Mal erschienen ist.
Es ist gute Tradition, dass sich im Monat des Welttages des Buches (23. April) das "booklet" österreichischen Autorinnen und Autoren bzw. heimischen Verlagen widmet. Sehen Sie selbst, dass die Welt im Zimmer sein kann, wie der Gang ins Archiv von Marianne Fritz zeigt, aber eben auch im Buch.