Dunkler Ritter und Realität

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39 erschien Superheld Batman als Comicheft. Nun kommt mit "The Dark Knight Rises“ Christopher Nolans letzte Version des Trivialmythos ins Kino.

Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt, als Spider-Man ins Kino kam, ließ man ihn sein Netz im ersten Werbetrailer zwischen den Türmen des World Trade Centers spannen - es war unmittelbar vor 9/11. Mit den Bildern vom Amoklauf in Aurora, Colorado, tritt diese Erinnerung wieder hervor. Es wird lange dauern, bis "The Dark Knight Rises“, der neue Batman-Film, abgelöst von seiner Premieren-Tragödie gesehen werden kann. Nicht etwa, weil Leinwandfantasien wie diese durch solche Ereignisse erst in die Realität gezogen würden - denn die ist immer Teil von ihnen - sondern weil sie dadurch zum sichtbaren Teil der Geschichte werden.

Wenn sich der mutmaßliche Täter, mit dem Batman-Gegenspieler Joker identifiziert, dann ist es vorbei mit der Distanz zur Realität. Dabei liegt gerade diese im Wesen der Filme über Superhelden, der heutigen Version der Heldenlegende. Genau wie Sagen werden sie variiert, wiedererzählt und zeitaktuell gehalten. Sie sprechen zu und ebenso über ihre Zeit - so wie etwa Hitler im Dritten Reich zum Hagen aus dem Nibelungenlied stilisiert und dieser vom Bösewicht zum Helden verdreht wurde.

Seit er im Mai 1939 zum ersten Mal als Comic erschien, ist auch Batman zum Abbild mehrerer Epochen geworden. Erdacht im Fahrwasser damals populärer Detektivliteratur, wurde er zum Phänomen, das noch während des Zweiten Weltkriegs in einer Kinoserie Japaner-Vorurteile verbreitete.

20 Jahre später war er im Fernsehen dann poppiges, kulthaft-einfältiges Ablenkungsprogramm vom Vietnamkrieg, um später im Gefolge seiner Kollegen Superman oder Flash Gordon wieder ins Kino geschwappt zu werden: Tim Burton machte Ende der 1980er Batman zur schaurigen Ikone, seine Nachfolger daraus hingegen typisch gigantomanische Blockbuster der 1990er.

Archaische Traumabewältigung

Der Kern in diesem Aufbauen und wieder Abreißen blieb immer derselbe: eine archaische Traumabewältigung durch ein höheres Ziel - die Geschichte von Bruce Wayne, dem als Kind die Eltern vor seinen Augen ermordet wurden, und der nun im Fledermauskostüm gegen das Verbrechen kämpft.

An diesem Kern hat sich in der Bearbeitung durch Christopher Nolan ebensowenig geändert wie an der Tatsache, dass Batman wie alle Superhelden "above the law“, über dem Gesetz handelt. Nur so - eine uralte amerikanische Erzähltradition - gäbe es wirklich Schutz für die Gesellschaft. Umso mehr gelte dies, da ihre Gegner außerhalb dieser Gesellschaft stünden.

Auch "The Dark Knight Rises“ hält es so, wenn er seine Trilogie wieder zum Anfang zurückführt: zur Sekte des Ra’s al Ghul, die schon einmal das Zentrum der modernen Zivilisation, Gotham City, vernichten wollte. Diesmal scheint sie nichts aufzuhalten, denn als Bruce Wayne (Christian Bale) endlich aus seinem selbst auferlegten Ruhestand zurückkehrt, besiegt ihn der fanatische Bane (Tom Hardy) und errichtet ein Terrorregime.

Nolan philosophiert in diesem abschließenden Teil - als Spiegel der Gegenwart - viel über den Missbrauch von Ideen und Worten: Die Unterdrückung benutzt hier Tea-Party- und Occupy-Parolen. Zeitloser ist der religiöse Zug, den sowohl Schurke wie auch idealtypischer Held besitzen: Vom Glauben an Batman ist die Rede, quasi als Bedingung für seine Existenz, vom ihn Im-Stich-Lassen.

Umgekehrt macht er sich wieder auf zum Opfergang für andere, als Leitbild. Nicht nur in dieser Hinsicht verbindet den Nolan-Batman einiges mit der originalen "Star Wars“-Trilogie: Bei beiden schwächelt der Anfang des dritten Teils, um dann in ein fulminantes Action-Finale zu kippen. "The Dark Knight Rises“ hat an seinem Beginn vor allem mit sperrigen Monologen zu kämpfen, die erst der Reihe nach durchrattern müssen.

Trotzdem hat Christopher Nolan damit den würdigen Abschluss von etwas geschaffen, das den Begriff "epochal“ verdient: Weil er damit ein wesentliches Ereignis am Anfang unseres Kinojahrhunderts schuf, und gerade weil er auf absehbare Zeit mit der Idee, eine Comic-Parabel so nahe wie möglich an die US-Realität zu bringen, keine Schule machen wird.

Aktuelle Helden-Verwertung

Was er und Sam Raimis "Spider-Man“-Trilogie umgekehrt vollbracht haben, war, die Schleusen für die aktuelle Helden-Verwertung zu öffnen: Comic-Adaptionen vom Schlage der "Avengers“ oder "Green Lantern“, mit denen die Kinos in den letzten Jahren geflutet wurden, und die auch keine Angst vor der raschen Wiedererzählung dieser Legenden haben, wie jüngst die nächste Variante auf "Spider-Man“ zeigte. Die einzige Gefahr, die ihnen droht, ist die Ermüdung des Genres, dass die Lizenzgebühren nicht mehr stimmen oder die Eintrittsgelder.

Und Batman? Er ist am Ende eines weiteren Anfangs. Was Christopher Nolan betrifft, so hat dieser seine Geschichte auserzählt, wird sein Ende Ende sein lassen.

Die Studios hingegen werden sicher neu anfangen; nur eine Frage der Zeit. Schließlich wechselt das Publikum, genau wie die Interpreten. Die Heldenstoffe jedoch: Sie haben Bestand.

The Dark Knight Rises

USA/GB 2012. Regie: Christopher Nolan. Mit Christian Bale, Gary Oldman, Tom Hardy.

Warner. 164 Min.

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