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In Mariazell hätte sich ein Pfingstwunder neuerer Art ereignen sollen. Es hat sich nicht ereignet. Bischöfe aus allen Ländern Mitteleuropas hätten in diesem Ort, der durch Jahrhunderte hindurch auch ihren Völkern Wallfahrtsort und Gnadenstätte war, gemeinsam das Meßopfer feiern und in einem gemeinsamen Geist, aber in verschiedenen Sprachen reden sollen. Es ist nicht dazu gekommen. Alle sind sie eingeladen gewesen, die Bischöfe aus der Tschechoslowakei, aus Ungarn, aus Polen, aus Jugoslawien. Gekommen ist nur der Erzbischof von Agram, Kardinal Seper. Er stand am Altar mit dem Erzbischof von Wien, Kardinal Doktor König. Die Stelle der anderen Bischöfe nahmen Priester ihrer Sprache, aber nicht ihres Landes ein. Den Bischöfen selbst war die Ausreise verweigert worden. [...]

Warum? fragt man. Und man fragt vergebens. Es kommt keine Antwort. Man hat sich nicht einmal die Mühe genommen, dieses Ausreiseverbot irgendwie zu motivieren. Der Staatsabsolutismus kommunistischer Prägung hat es nicht notwendig, seinen Bürgern Rechenschaft zu geben [...]

Mariazell hätte ein Pfingsten der Völkerverständigung werden können. Es ist es nicht geworden. Ein kalter Hauch der ideologischen Eiszeit kam vom Osten. Er kann uns frösteln machen, aber er kann uns den Glauben nicht nehmen, daß eines Tages die Sonne stärker sein wird.

Nr. 20 /20. Mai 1967

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