Eine subversive Dichtung

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1957 kam es wegen der "Obszönität“ von Allen Ginsbergs Gedicht "Howl“ zum Prozess. Der Freispruch für | dessen angeklagten Verleger galt als Sieg der Freiheit der Kunst. Der Film "Howl“ zeichnet dies nach.

Er war der Dichter der Beat-Generation und literarische Galionsfigur der Jugendbewegung der 60er-Jahre: Allen Ginsberg. Im Biopic "Howl“, das nach dem gleichnamigen Gedicht betitelt ist, spielt Hollywood-Star James Franco den Skandal-Poeten.

Die Furche: Ist es nicht verrückt, dass ein Gedicht beinahe jemanden ins Gefängnis gebracht hätte?

James Franco: Das waren die 50er-Jahre.Ginsbergs Gedicht "Howl“ ist eine Kulmination seiner damaligen Lebensumstände. Es zeigt die Reife seiner Lyrik - es ist das beste Gedicht, das er bis dahin geschrieben hatte, und es beinhaltet viele autobiografische Elemente. Weil aber Homosexualität damals ausschließlich hinter verschlossenen Türen stattfand, war so ein Gedicht ein riesen Problem. Schwule wurden mit Elektroschocks behandelt, um sie zu "heilen“ und in Anstalten gesperrt. Ginsberg war von der Columbia-Universität ausgeschlossen worden, nur weil man ihn mit Jack Kerouac im Bett erwischt hatte. Dabei hatten sie nicht mal Sex gehabt, sondern lagen nur zusammen, weil sie das Zimmer nicht heizen konnten.

Die Furche: Wie haben Sie Ginsbergs Leben und Werk für sich erschlossen?

Franco: Ohne sein Leben zu studieren, hätte ich seine Lyrik nie verstanden. Gerade "Howl“ schließt viel davon ein, was zu jener Zeit los war. Alle seine Werke sind miteinander verbunden, weil sie aus dem Zeitgeschehen gespeist waren.

Die Furche: Eine Zeit, in der sich in den USA in eine Ära des Wohlstands leiser Widerstand mischte …

Franco: Direkt nach dem Krieg waren alle einfach nur froh gewesen, dass es aufwärts ging, niemand wollte den Status quo gefährden, alle haben stillgehalten. Ginsbergs Generation und dann die der 60er-Jahre sahen sich aber mittlerweile einer immens restriktiven Gesellschaft gegenüber, wogegen sie sich zu wehren begannen.

Die Furche: Ginsberg sagt im Film: "Es gibt keine Beat-Generation, sondern nur einen Haufen Jungs, die erfolgreich sein wollen.“

Franco: Nun, der Name kam mit dem Erfolg. Und der Einfluss, den Kerouacs Roman "On The Road“ oder eben "Howl“ hatten, war vielen nicht geheuer. "Beat“ sagten sie dazu, um die Urheber an den Rand zu drängen, nach dem Motto: Ach, das sind nur ein paar verwirrte Idioten, nicht ernst zu nehmen. Vielleicht wollte Ginsberg nur darauf reagieren, indem er behauptete, eine Beat-Generation gebe es gar nicht.

Die Furche: Gibt es Beat-Spirit heute noch? Franco: Den Geist der Rebellion, der Lebensverwirklichung, der Neugier birgt jede Generation. Jede Generation geht durch eine Beat-Periode. Jede gesunde Kultur braucht künstlerische Bewegung. Die Beats stehen dafür - und gegen Regulierungen von Kunst.

Die Furche: Die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman kommen vom Dokumentarfilm und verweben stilistische Elemente aus beiden Genres. Was ist von den Gerichtsszenen auch inhaltlich real dokumentiert?

Franco: Jedes Wort Ginsbergs im Film stammt aus Transkripten von Interviews mit ihm. Die Gerichtsszenen basieren auf den echten Protokollen der Verhandlungen. Dieser Realitätsbezug war sehr wichtig für mich in der Rolle. Ich wollte nicht improvisieren, weil ich nur so der Person Ginsberg halbwegs gerecht werden konnte. Ich muss-te seinen Worten gegenüber loyal bleiben. Er hatte diese Worte gesagt - meine Aufgabe war, sie so erscheinen zu lassen, als würden sie das erste Mal geäußert.

Die Furche: Nach Scott Smith im Film "Milk“ spielen Sie hier zum zweiten Mal eine prominente Rolle als Homosexueller ...

Franco: … und die Reaktionen darauf sind auf jeden Fall interessant. Nach "Milk“ wollte jeder, wirklich jeder Journalist mit dem ich sprach, von mir wissen, wie es ist, Sean Penn zu küssen. Das finde ich schon seltsam. Oder die ganze Klatschpresse. Da hieß es: Oh, Franco macht auf schwul, dabei hat er eine Freundin - wow! Niemand hat wirklich gesagt, dass er das schräg oder abartig findet, aber allein die Präsentation war voller Ressentiments. Plötzlich war ich Hollywoods homosexuellster heterosexueller Schauspieler. Also so viel, wie wir manchmal glauben, hat sich gar nicht verändert.

Die Furche: Als "homosexuellster heterosexueller Schauspieler“ scheffeln Sie eher keine Millionen - würden Sie nicht gern?

Franco: Schon. Aber noch lieber mache ich Sachen, die mir Spaß machen.

Die Furche: Sie drehen auch selbst Filme, schreiben, malen nebenbei. In welchem Job haben Sie den nächsten großen Auftritt?

Franco: Hoffentlich mit meinem Film, den ich gerade über Charles Bukowskis Jugend mache. Aber ich werde wohl immer Schauspielen. Es ist einfach der bequemste Weg, in diesem Business viel Geld zu verdienen.

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